Ägypten
Die
westliche Öffentlichkeit durch General Al-Sisi beängstigt
von Thierry Meyssan in Voltaire Netzwerk | Damaskus
| 26. August 2013
Obwohl 95 % der Ägypter den Militärputsch unterstützen,
der Präsident Mursi gestürzt hatte, wettert die westliche Presse gegen die
Rückkehr der Diktatur und betrauert die Zivilopfer der Repression. Für Thierry
Meyssan ist diese Haltung in der Entmannung der westlichen Bevölkerung
verankert, welche die Lehren ihrer Vorfahren vergessen hat und denkt, dass alle
Konflikte eine friedliche Lösung finden könnten.
Die Presse in den USA und Europa verurteilt
einstimmig den Militärputsch in Ägypten und jammert über die Tausend
Todesopfer, die folgten. Es ist offensichtlich für sie, dass die Ägypter, die
die Diktatur von Hosni Mubarak gestürzt hatten, heute Opfer einer neuen
Diktatur geworden sind und dass der "demokratisch" gewählte Mohamed
Mursi, der einzige Rechtmäßige ist, um die Macht auszuüben.
Nun wird aber diese Sicht der Dinge durch die
Einstimmigkeit der ägyptischen, hinter ihrer Armee stehenden Gesellschaft
widerlegt. Abdelfattah Al-Sisi hat die Absetzung des Präsidenten Mursi im
Beisein von Vertretern aller politischen Empfindlichkeiten des Landes, einschließlich
des Rektors der Al-Azhar-Universität und der Anführer der Salafisten
angekündigt, die sie auch genehmigten. Er kann sich rühmen, in seinem Kampf von
95 % der Vertreter seiner Landsleute unterstützt zu werden.
Für die Ägypter wird die Legitimität von Mohamed
Mursi nicht durch die Art der Bestimmung als Präsident bewertet, mit oder ohne
Wahlen, sondern durch den Dienst, den er dem Land erwiesen hat. Nun haben die
Brüder vor allem gezeigt, dass ihr Slogan "der Islam ist die
Lösung!", ihre mangelhafte Vorbereitung und Inkompetenz schlecht
versteckte.
Für den einfachen Mann ist der Tourismus rar
geworden, die Wirtschaft zurückgegangen und das Pfund hat 20 % seines Wertes
verloren.
Für den Mittelstand war Mursi nie demokratisch
gewählt worden. Die meisten Wahllokale waren von der Muslimbruderschaft
militärisch besetzt und 65 % der Wähler enthielten sich. Diese Maskerade wurde
von den internationalen Beobachtern vertuscht, die von den Vereinigten Staaten
und der Europäischen Union gesendet wurden, und die Bruderschaft unterstützten.
Im November hat Präsident Mursi die Gewalten-Teilung aufgehoben, indem er den
Gerichten verbot, seine Entscheidungen in Frage zu stellen. Dann löste er den
obersten Gerichtshof auf und setzte den Generalstaatsanwalt ab. Er setzte die
Verfassung außer Kraft und ließ eine Neue, von einer von ihm ernannten
Kommission ausarbeiten, bevor er dieses Grundgesetz in einem Referendum
adoptieren ließ, das von 66 % der Wähler boykottiert wurde.
Für die Armee kündigte Mursi an, den Suez-Kanal,
Symbol der wirtschaftlichen und politischen Unabhängigkeit zu privatisieren und
ihn seinen Freunden vom Katar zu verkaufen. Er begann den Verkauf von
öffentlichem Land in Sinai an Hamas-Leute, damit sie die Arbeiter vom
Gaza-Streifen nach Ägypten verlagern, um Israel zu ermöglichen mit seiner
"Palästina-Frage" aufzuräumen. Vor allem hat er zu einem Krieg gegen
Syrien aufgerufen, das der historische Außenposten Ägyptens in der Levante ist.
Damit hat er die nationale Sicherheit gefährdet, für deren Schutz er
verantwortlich war.
Das grundlegende Problem des Westens in der
ägyptischen Krise bleibt jedoch sein Verhältnis zur Gewalt. Von New York oder
Paris aus gesehen ist eine Armee, die scharfe Munition auf Demonstranten
schießt, tyrannisch. Und, um den Schrecken noch zu erhöhen, unterstreicht die
Presse dazu, dass zahlreiche Opfer Frauen und Kinder sind.
Es ist eine entmannte Sicht der menschlichen
Beziehungen, wo eine Person bereit wäre, zu diskutieren, weil sie unbewaffnet
ist. Aber der Fanatismus ist ein Verhalten, das nichts mit der Tatsache zu tun
hat, bewaffnet zu sein oder nicht. Der Westen war mit diesem Problem auch vor
70 Jahren konfrontiert. Zu der Zeit ließen Franklin Roosevelt und Winston
Churchill ganze Städte der Erde gleich machen, wie Dresden (Deutschland) und
Tokio (Japan), deren Zivilbevölkerung unbewaffnet war. Diese beiden
Staatsmänner gelten trotzdem nicht als Verbrecher, sondern werden als Helden
gefeiert. Es war offensichtlich und unbestreitbar, dass der Fanatismus der
Deutschen und der Japaner eine friedliche Lösung unmöglich machte.
Sind die Muslim Brüder Terroristen, und sollen sie
besiegt werden? Jede globale Antwort wäre falsch, denn es gibt viele Tendenzen
innerhalb der internationalen Bruderschaft. Jedoch ihre Bilanz spricht Bände:
sie haben eine lange Putschisten-Vergangenheit in vielen arabischen Staaten
hinter sich. Im Jahr 2011 haben sie die Opposition gegen Muammar el-Gaddafi
organisiert und nutzten seinen Sturz durch die NATO aus. Sie führen weiterhin
einen bewaffneten Kampf, um die Macht in Syrien zu ergreifen. Bezüglich der
Bruderschaft in Ägypten hat Präsident Mursi die Mörder seines Vorgängers Anwar
el-Sadat rehabilitiert und vom Gefängnis befreit. Er hatte auch die Nummer
„Zwei“ des Kommandos, das 1997 62 Personen, vor allem Touristen, abgeschlachtet
hatte, zum Gouverneur von Luxor gemacht. Darüber hinaus haben sie, auf den
einfachen Demo-Aufruf der Brüder zur Wiedereinsetzung „ihres“ Präsidenten, sich
gerächt und 82 koptische Kirchen in Asche gelegt.
Die Abneigung des Westens gegen militärische
Regierungen wird nicht von den Ägyptern geteilt, dem einzigen Volk der Welt,
das ausschließlich - mit Ausnahme des Mursi-Jahres - seit über 3.000 Jahren von
Soldaten beherrscht wurde.
Quelle :
Al-Watan (Syrien)
Übersetzung Horst Frohlich