Anti-Defender: Kein Krieg gegen Russland
„USA und Nato üben Angriffskrieg gegen
Russland“
R. Rupp über westliche Großmanöver und US-General Wolters zum atomaren
Erstschlag
Das Manöver
„Defender 2020“ und andere Kriegsspiele gehören zur US-Konfrontationsstrategie
gegen Russland. Über die Hintergründe hat der Ex-Nato-Mitarbeiter und
Ex-DDR-Top-Agent Rainer Rupp am Mittwoch in Berlin aufgeklärt. Er hat deutlich
gemacht, wie gefährlich der Aufmarsch und die Aufrüstung gegen Russland sind.
Hinter der
neuen Konfrontationspolitik der führenden westlichen Staaten gegenüber
Russland, aber auch gegen China, stecken alte Gedanken. Das machte Rainer Rupp,
ehemaliger Top-Spion der DDR bei der Nato, am Mittwoch in Berlin deutlich.
Darauf beruhen aus seiner Sicht auch die neuen US-Großmanöver mit
Nato-Unterstützung wie „Defender
Europe 2020“, „Cold Response 2020“ oder „Defender Pacific 2020“.
Zwar wurden
diese Manöver in Folge des sich ausbreitenden neuen Corona-Virus abgesagt bzw.
„eingefroren“. Dennoch bleibt das provokative Motiv dieser westlichen
Militärübungen an der russischen Grenze. Das beschrieb Ex-Nato-Mitarbeiter und
Ex-DDR-Kundschafter Rupp in einer Veranstaltung des Berliner
Freidenker-Verbandes.
Das größte
US-Manöver seit 25 Jahren mit dem Titel „Defender“ (deutsch: Verteidiger) zu
versehen, erinnere an das Orwellsche „Neusprech“, das die Begriffe umdrehe. Schon das
faschistische Deutschland hatte den Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni
1941 offiziell gegenüber dieser als „Verteidigungsmaßnahme“ bezeichnet. Daran
erinnerte zu Beginn der Veranstaltung Klaus Linder, Landesvorsitzender der
Freidenker.
Untergehende Weltmacht bedrohlich
Offiziell
hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg behauptet, die neuen Manöver würden
sich nicht gegen Russland richten. Welchem andren Zweck sonst die größte
Verlegung von US-Truppen in Europa nach Osten nach Ende des Kalten Krieges
dienen würde, ist fraglich. Für Ex-Nato-Mitarbeiter Rupp ist die Stoßrichtung
klar: Manöver wie „Defender 2020“ gehörten zu den Angriffsvorbereitungen von
USA und Nato gegenüber Russland. Angesichts dessen „sollten eigentlich überall
in Deutschland die Alarmglocken klingeln“.
Doch davon
sei kaum etwas zu spüren, stellte der Ex-Agent fest, der zu den Initiatoren der
Bewegung „Kein Aufmarschgebiet gegen
Russland“ gehört. „Für das Manöver wird hauptsächlich das Territorium des
liquidierten Friedensstaates DDR benutzt“, so Rupp. „Leider scheint die
Mehrzahl der jungen Linken in Deutschland, die mehr vom Bauchgefühl des
Gutmenschentums als vom Kopf gesteuert ist, den Ernst der Lage zu verkennen.“
Deshalb werde oft nicht gegen das Manöver an sich, sondern dagegen protestiert,
dass damit der Corona-Virus verbreitet und mehr CO2 ausgestoßen wird.
Rupp
beschreib, wie sich die Manöver in das zunehmend aggressive Verhalten der USA
und des Westens gegenüber Russland und China seit mehreren Jahren einfügen. Die
USA verhalten sich nach seinen Worten als untergehende Weltmacht wie „ein in
die Enge getriebenes Tier“. Die transatlantischen Eliten würden mit allen
Mitteln versuchen, den Untergang zu verhindern. Dazu gehöre auch, dass die
atomare Abrüstung einseitig aufgekündigt wurde, was aber Russland zur Last
gelegt werde.
Schweigen der deutschen
„Qualitätsmedien“
Wie
gefährlich die US-Politik ist, machte der Nato-Experte mit dem Hinweis darauf
deutlich, dass das Pentagon, das US-Kriegsministerium, Ende Februar einen
Atomkrieg gegen Russland übte. Kurz danach habe US-Air-Force-General Tod Wolters, Chef des US-Europa-Kommandos, vor
dem US-Senat zur Frage des Atomwaffeneinsatzes gegen Russland erklärt:
„Ich bin ein Fan der Politik des
flexiblen Erstschlags.“ Rupp fragte: „Hat irgendjemand eine Kritik von deutscher Regierungsseite
und von den sogenannten, selbsternannten deutschen Qualitätsmedien gegen dieses
nukleare Säbelrasseln unseres Verbündeten gehört oder gelesen?“
Foto : U.S. Air Force photo by Frank Oliver
Pentagon
simuliert bei „Mini-Übung“ Nuklearkrieg mit Russland
Der
Ex-Nato-Mitarbeiter erinnerte nicht nur daran, dass das von US-Präsident Barack
Obama verkündete Programm, die US-Atomwaffen zu modernisieren, weitergeführt
wird. Auf Grundlage seiner Kenntnisse stellte er klar, dass die USA seit
Jahrzehnten von einem Atomkrieg gegen Russland auf europäischem Boden ausgehen
und diesen planen. Dabei seien die Armeen der anderen Nato-Staaten als
„Kanonenfutter“ am Boden vorgesehen, während die eigenen Truppen möglichst
geschont werden sollten. Dieses Muster zeige sich auch bei den gegenwärtigen
Manövern, mit denen di Verbündeten in die US-Kriegsstrategie eingebunden
würden.
Drehbuch mit altem Muster
Beleg für
die aggressive Politik Washingtons gegenüber Moskau und Peking sind laut Rupp
Aussagen von US-Kriegsminister Mark Esper auf der
diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz (MSK). Nach dessen Worten bereiten sich die USA auf „Kriege mit
hoher Intensität“ mit ihrem „Hauptherausforderer China und dann Russland“ vor.
US-Politiker
Pompeo und Esper in München
mit Ansagen für den Rest der Welt
„Ich kann es
nur wiederholen“, sagte Rupp dazu: „Wenn vor dem Hintergrund des immer rücksichtsloseren
Verhaltens der USA rund um den Globus ein Top-Kommandeur der Nato noch betont,
er sei ein Fan eines flexiblen Erstschlages, dann sollte das höchst alarmierend
sein.“ Zugleich stellte er fest: „Diese existenzielle Bedrohung der Menschheit scheint
aber die Führer der selbsterklärten westlichen Wertegemeinschaft überhaupt
nicht zu interessieren, solange sie den Status quo mit all ihren Privilegien
erhalten können.“
Dagegen sei
in Moskau der aggressive Charakter der US- und Nato-Manöver erkannt worden, die
als destabilisierend und nicht vertrauensbildend eingeschätzt würden. „Das ist
von Washington auch so gewollt“, hob Rupp hervor. Das US-Vorgehen folge einem
Drehbuch, dass die Rand-Corporation entwickelt habe. Dieses sei in dem 2019 von
der mit der Rüstungsindustrie verbunden US-Denkfabrik veröffentlichten Papier „Extending Russia – Competing from Advantageous Ground“ (deutsch:
„Russland überdehnen – aus vorteilhafter Lage konkurrieren“) nachlesbar.
Grundgedanken aus dem Kalten Krieg
Darin werden
laut Rupp „Mittel und Wege vorgestellt, wie Russland – ohne direkten Krieg
zwischen den USA und Russland – zerstört und unterworfen werden kann“. Das
basiere auf intensiven Debatten in der US-Elite, nachdem die Rand-Corporation
2016 festgestellt hatte, dass die Nato im Baltikum verwundbar sei. In der Folge
habe das Pentagon die Mittel zur „Verstärkung der Abschreckung an der Ostfront
der Nato“ ab 2017 deutlich auf 3,4 Milliarden Dollar erhöht.
Dabei spiele
eine zentrale Rolle, US-Waffen und -Truppen nach Osteuropa zu verlegen, wie es
jetzt mit dem gestoppten Manöver „Defender 2020“ geübt werden sollte. Rupp
zitierte aus der Rand-Studie von 2019: „Zweck des Projektes war es, unter
Ausnutzung russischer Schwachpunkte eine Reihe von möglichen Maßnahmen zu
untersuchen, damit sich Russland militärisch oder wirtschaftlich übernimmt oder
die dazu führen, dass das politische Ansehen und der Einfluss des Regimes
schade erleidet.“
Was dem
Grundgedanken führender US-Kreise aus dem Kalten Krieg, die Sowjetunion
„totzurüsten“, folgt, schätzt Russland falsch ein, so Rupp. Auf Sputniknews-Nachfrage meinte er, dass Russland anders als
die Sowjetunion mit diesem Druck besser umgehen könne und Ressourcen habe,
diesem zu widerstehen. Solche Strategiepapiere wie das der Rand-Corporation
zeugten von der „geringen intellektuellen Beweglichkeit“, die er schon in
seiner Zeit in der Nato auf westlicher Seite erlebt habe.
Hochgefährliches Manöver-Szenario
Dennoch
halte er den Versuch, „unterhalb der Schwelle eines direkten US-Krieges, Moskau
bzw. Peking doch noch in die Anerkennung der US-Vorherrschaft zwingen zu
können“, für hochgefährlich. Zu diesem Versuch würden auch die provokativen
Manöver gehören. Wie gefährlich diese sind belegte er mit dem Szenario für „Cold Response 2020“ in Norwegen. Dabei sollten rund 18.000
Soldaten aus zehn Nationen nach Willen der US-Planer „ein hochintensives
Kampfszenario“ üben.
Die
Nato-Truppen hätten eine imaginäre russische Invasion in der nordnorwegischen
Finnmark an der Grenze zu Russland zurückschlagen sollen. „Für dieses Szenario
braucht man aber tatsächlich viel Phantasie“, betonte Rupp. „In der Einöde
Nordnorwegens gibt es auf norwegischer Seite der Grenze absolut gar nichts zu
holen, was die Russen auch nur im Entferntesten interessieren und hinter dem
warmen Ofen hervorlocken könnte.“
Dagegen
befinde sich dort auf russischer Seite im Norden ein „wichtiger Teil der
Kronjuwelen der russischen strategischen Abschreckung“. Dazu gehöre unter
anderem das Hauptquartier der russischen Nordflotte und mit Murmansk einer der
Heimathäfen der russischen Atom-U-Boote. „Dieses Gebiet gehört zu einem der
sensibelsten militärischen Bereiche Russlands. Diese Region in einem
Handstreich zu erobern ist natürlich der Wunschtraum eines jeden
eingefleischten Kalten Kriegers in Washington.“
Protest gegen Nato-Aufmarsch
Dieses
Gebiet für eine offensive Kriegsübung auszuwählen ist für Rupp „in höchstem
Maße provokativ und gefährlich. Das müsste eigentlich jedem vernünftigen
Menschen klar sein.“ Im Ernstfall würde jeder militärische Erfolg der USA und
der Nato in dieser Region „unmittelbar zu einem Nuklearkrieg führen“. Die
russische Verteidigungsstrategie sehe in einem solchen Fall den Einsatz
taktischer Atomwaffen vor.
Der
ehemalige Nato-Mitarbeiter und Ex-Spitzenagent der DDR-Aufklärung hofft vor allem auf die Bevölkerung in Ostdeutschland. Er
setzt darauf, dass die Menschen dort gegen den Missbrauch des einstigen
DDR-Gebietes als Aufmarschgebiet gegen Russland protestieren. „Damit können
sich Viele identifizieren“, erklärte er, warum er den entsprechenden Aufruf
angestoßen hat.
„Wenn es um
Krieg und Frieden geht, ist mir jeder wichtig, der mitdemonstriert, auch jene,
die keine anderen Interessen haben.“ Rupp machte klar: „Der Krieg ist die
schlimmste Plage der Menschheit überhaupt!“
Quelle:
https://de.sputniknews.com/deutschland/20200313326591722-rupp-gegen-defender