Tschernobyl. 26 Jahre nach der Tragödie oder was uns die Geschichte lehrt

Pressemitteilung der belorussischen Botschaft 19 in Berlin

 

In der Nacht vom 25. auf den 26. April 1986 ereignete sich im Kernkraftwerk Tschernobyl

in der Nähe von einer kleinen ukrainischen Stadt die größte Katastrophe in der Geschichte

der Menschheit. Unter den Folgen dieser Tragödie haben fast 5 Mio. Menschen aus mehr

als 5 Tsd. Ortschaften der heutigen Belarus, Russland und der Ukraine gelitten. Durch das

radioaktive Cäsium und Strontium wurden ca. 150 Tsd. km2 kontaminiert. Insgesamt

wurden 17 europäische Ländern vom radioaktiven Niederschlag heimgesucht.

Nach Berechnungen von Fachleuten fiel der größte Teil des Fallouts in Belarus nieder,

wodurch 23% des Territoriums unseres Landes, auf dem etwa 25% der Bevölkerung

wohnte, kontaminiert wurden.

Die Tragödie von Tschernobyl hat Belarus und die ganze Weltgemeinschaft vor die

kompliziertesten Herausforderungen in fast allen Lebensbereichen gestellt.

Der zugefügte wirtschaftliche Schaden beläuft sich auf 235 Mrd. US-Dollar, was

32 Jahreshaushalten des Landes im Jahr 1986 entspricht. Die für die Überwindung der

Katastrophenfolgen von der Weltgemeinschaft und Belarus ausgegebene Geldsumme

beläuft sich nicht einmal auf 10% des riesengroßen Gesamtschadens.

Einen bedeutenden Verlust erlitt der landwirtschaftliche Sektor der Republik Belarus. Etwa

ein Fünftel aller landwirtschaftlichen Flächen, und zwar 2,64 Tsd. km2, sind nicht mehr

landwirtschaftlich verwendbar.

132 Minerallagerstätten befinden sich im verseuchten Gebiet. Ein großer Schaden wurde

der Forstwirtschaft zugefügt. Der jährliche Verlust an Wäldern beziffert sich auf 2 Mio. m3.

Der Schaden für Menschen bedeutet 2 Mio. Betroffene. 1,3 Mio. Menschen, darunter

ca. 500 Tsd. Jugendlichen, wohnen im kontaminierten Gebiet.

Die medizinischen Folgen des Unfalls kamen durch den wesentlichen Anstieg von

Krebserkrankungen, unter denen der Schilddrüsenkrebs am öftesten vorkommt, zum

Vorschein. Die Schilddrüsenkrebserkrankungen bei Kindern sind um das 40-fache, bei

Erwachsenen um das 2,5-7-fache gestiegen.

Der Unfall hatte auch schwere sozial-psychologische Folgen. Wegen der Umsiedlung und

Gesundheitszustandsverschlechterung waren viele belarussische Bürger gezwungen, ihre

Lebensweise und ihren Beruf zu wechseln. Die Anpassung an die neuen

Lebensbedingungen war für diese Menschen schmerzlich.

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Die langfristige und umfassende Überwindung der Folgen von dem Unfall im

Kernkraftwerk Tschernobyl ist zu einem der Schwerpunkte in der Politik der Staatsführung

geworden. Unter Berücksichtigung des Ausmaßes von wirtschaftlichen und ökologischen

Bedrohungen werden zeit- und geldaufwendige Maßnahmen für die Lösung der

aufgestellten Aufgaben entwickelt und vervollkommnet.

Abgesehen von der Hilfe aus dem Ausland hat die Republik Belarus seit 1986 für diese

Zwecke mehr als 18 Mrd. US-Dollar ausgegeben. Die ganze praktische Arbeit für die

Überwindung der Katastrophenfolgen in Tschernobyl wurde und wird im Rahmen von

zahlreichen staatlichen Programmen durchgeführt.

Die Weltgemeinschaft bleibt Tschernobyl- Problemen gegenüber auch nicht gleichgültig.

Eine ganze Reihe von internationalen Organisationen leistet der Regierung von Belarus

Hilfe bei der Überwindung der Folgen des Atomunglücks in Tschernobyl. In meisten Fällen

bildet die Überwindung von kurzfristigen und mittelfristigen Folgen durch die

Rekultivierung kontaminierter Böden, Versorgung der Bevölkerung mit speziellen

medizinischen Dienstleistungen, Monitoring der langfristigen Folgen von der radioaktiven

Bestrahlung, Untersuchung von ökologischen Aspekten der Betriebseinstellung des

Atomkraftwerkes in Tschernobyl und ökologischen Problemen im Bereich des Umgangs mit

radioaktiven Abfällen den Schwerpunkt.

Ungeachtet des wachsenden Bedarfes Belarus’ an der internationalen Hilfe, sinkt das

Interesse der Regierungen von Geberländern an solcher Hilfsleistung. Einer der Gründe

dafür ist, dass der Unfall viele Jahre zurückliegt. Für die Überwindung der „Müdigkeit“ der

Geberländer haben die UNO-Organisationen eine neue Strategie erarbeitet, deren

Prioritäten bei Rehabilitation und Entwicklung liegen. Diese Strategie sieht die Entwicklung

lokaler Wirtschaft durch Förderung von Privatunternehmertum, Heranziehung von

Investitionen und Entwicklung von kleinen Unternehmen sowie durch die Schaffung von

neuen Arbeitsplätzen und Einkommensquellen vor.

Abgesehen von internationalen Programmen spielt die unentgeltliche humanitäre Hilfe, die

von Wohlfahrtseinrichtungen und Privatpersonen geleistet wird, eine wichtige Rolle.

Die Kindererholungsaufenthalte im Ausland sind eine der Möglichkeiten, der Bevölkerung

aus den kontaminierten Regionen zu helfen. Die Länder, die traditionell viele Kinder

einladen, sind Italien, Deutschland, Irland, Spanien, die USA, Kanada. Eine Reise ins

Ausland wirkt sowohl auf die Gesundheit und Allgemeinbefinden als auch auf das

psychologisch-moralische Befinden von Kindern positiv ein.

Nach dem Unfall im Kernkraftwerk von Tschernobyl sind 26 Jahre vergangen. Man hat

schon Vieles geleistet aber die Umsetzung von vielen Programmen für die Überwindung

der Folgen des schrecklichen Unfalls steht noch bevor. Für mehrere Generationen von

Belarussen werden die Unfallfolgen noch spürbar bleiben. Innerhalb von diesen 26 Jahren

hat Belarus riesige wissenschaftliche, administrative und professionelle Erfahrungen

angesammelt. Das Land, das am stärksten unter der Katastrophe gelitten hat, ist zu

einem Experten geworden. Die wertvollen Erkenntnisse, die unser Land erworben hat,

können der ganzen Menschheit dienen und werden bereits verwendet.

Berlin, den 26. April 2012