DDR- Sport

DDR-Sport war Volkssport für und mit der DDR-Bevölkerung

von Dr. Thomas Köhler, Sportler, Trainer und DDR-Funktionär

Als Sportler, Trainer und Funktionär gehörte ich sowohl zu den Zeitzeugen, als auch zu den Mitgestaltern des DDR-Sports. Die Ergebnisse bei Olympischen Spielen sind außer im Fußball die aussagefähigsten Kriterien dafür, wie sich eine Nation im internationalen Vergleich einordnet.

Seit den Olympischen Spielen 1972 in Sapporo und München gehörte die DDR ununterbrochen zu den drei stärksten Nationen im Winter- und Sommersport.

Ein guter Grund, sich auch nach über 30 Jahren seit unserer letzten Teilnahme 1988 an Olympischen Spielen an den DDR Sport zu erinnern und die Ursachen der Erfolge zu hinterfragen.

 Das ist auch deshalb erforderlich, weil die gewonnenen Medaillen der DDR seitdem nahezu ausschließlich auf die Anwendung von Dopingmitteln reduziert werden. Aus der Vielzahl der Faktoren, die die Erfolge des DDR-Sports begründen, seien hier einige wesentliche genannt:

·Das Fördersystem des Leistungsspots in seinen drei Stufen mit den entsprechenden Struktureinheiten, den Trainingszentren/Trainingsstützpunkten, den Kinder-und Jugendsportschulen, Sportclubs, Sportschulen und Auswahlmannschaften der Sportverbände.

·Das Konzept des langfristigen kontinuierlichen Leistungsaufbaus und seine Umsetzung über die vier Trainingsetappen, dem Grundlagen- Aufbau-Anschluss- und Hochleistungstraining mit dem Ziel, auf diesem Weg Sportler systematisch zu internationalen Spitzenleistungen zu führen.

·Die nahezu flächendeckende Sichtung und Auswahl sportlich talentierter Kinder und Jugendlichen in allen Bezirken mit der vom DTSB und Volksbildung gemeinsam getragenen „Einheitlichen Sichtung und Auswahl“ (ESA) als Hauptform.

·Das Training als komplexer Bildungs-und Erziehungsprozess unter Führung des Trainers, der in allen Trainingsetappen als aktivstes Element die Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung planmäßig gestaltet und zugleich ständig vervollkommnet.

·Die hohe Leistungs-und Trainingsbereitschaft der Sportler, die durch vielfältige erzieherische Einflüsse, durch individuelle Selbstmotivation sowie durch die in den verschiedenen Sportarten und Trainingskollektiven bestehenden Leistungsmaßstäbe auf sehr hohem Niveau ausgeprägt war.

·Die Einheit von sportlicher, schulischer und beruflicher Entwicklung der Sportler und ihre gesicherte berufliche und soziale Perspektive durch umfangreiche Fördermaßnahmen des Staates.

·Die engagierte Tätigkeit der Trainer, ihre Maßstäbe und ihre fachlichen und pädagogischen Fähigkeiten bei der Leistungs-und Persönlichkeitsentwicklung der Sportler.

·Die enge und vertrauensvolle Gemeinschaftsarbeit von Trainern, Sportmedizinern und Sportwissenschaftlern und weiteren Spezialisten im Prozess der Vorbereitung und der inhaltlichen und organisatorischen Sicherung hoher sportlicher Leistungen.

·Die planmäßige Aus- und Weiterbildung der im Leistungssport tätigen Trainer, Übungsleiter sowie weiterer Fachleute unter der Hauptverantwortung der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) und der Sportverbände.

·Die auf wissenschaftlichen Vorlauf ausgerichtete Forschung im Hoch- und Nachwuchsleistungssport, die sich in ihrer Praxisgerichtetheit und ihren interdisziplinären Charakter äußerte und in deren Mittelpunkt eine angewandte sportartspezifische Forschung und eine breite Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis bestand.

·Die umfangreiche sportmedizinische Betreuung aller Leistungssportler durch den Sportmedizinischen Dienst, die über hauptamtlich arbeitenden Kreis, Bezirks-Sektions- und Verbandsärzten und entsprechenden Beratungsstellen alle drei Förderstufen umfasste und die vor allem auf die Sicherung einer hohen Belastbarkeit und die optimale Wiederherstellung der Trainierenden ausgerichtet war.

·Die professionelle und in hohem Maß zentral geleitete Führung des Hoch- und Nachwuchsleistungssports auf der Basis von weitgehenden wissenschaftlich gestützten Beschlüssen, Plänen und Konzepten.

·Die Planung und Auswertung des Trainings und der Leistungen mit sportartspezifischen Plandokumenten, zentraler und dezentraler Leistungsdiagnostik, Trainingsdokumentation und weiterer Arbeitsformen einer prozessbegleitenden Arbeit, besonders durch Trainerräte, Arbeitskreise, Steueraktive u.a.

Diese Faktoren erreichten ihre volle Wirkung erst in ihrer komplexen Anwendung.

Im fehlenden komplexen Bezug sämtlicher dieser von Gesellschaftsordnungen nahezu unabhängigen Faktoren sehe ich einen der wesentlichsten Unterschiede zwischen dem DDR-und dem heutigen deutschen Sport.

Ein weiterer bedeutender Unterschied besteht darin, dass sich in der DDR jedes sportliche Talent, unabhängig von der sozialen Situation seiner Eltern entwickeln konnte. 37% der Talente in der Bundesrepublik beenden wegen ihrer beruflichen Entwicklung vorzeitig ihre sportliche Laufbahn. Und viele Talente entgehen dem heutigen deutschen Sport, weil sie die hohen Sportkosten für das Sporttreiben in einem Verein nicht aufbringen können.

 

Kurzbiografie Thomas Köhler

Dr.Thomas Köhler wurde am 25. Juni 1940 in Zwickau geboren.

Er wuchs mit seinen beiden Geschwistern in der erzgebirgischen Gemeinde Beierfeld auf. Da sein Vater, Kurt Köhler, im Zweiten Weltkrieg umgekommen war, war die Mutter Roselene Köhler, alleinerziehend.

Nach dem Besuch der Beierfelder Grundschule legte Thomas Köhler sein Abitur an der Erweiterten Oberschule in Schwarzenberg ab.

1958 folgte ein Studium zum Sportlehrer an der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig (DHfK).

Als Rennrodler war er aktiv für den SC Traktor Oberwiesenthal tätig und vertrat die DDR bei den Olympischen Spielen in Insbruck und Grenoble.

Mit zwei Olympiasiegen (1964 in Innsbruck im Einsitzer und 1968 in Grenoble im Doppelsitzer) und drei Weltmeistertiteln (1962 in Krynica-Zdrój sowie 1967 in Hammarstrand im Ein- und Doppelsitzer) war er der erfolgreichste Rennrodler der 1960er Jahre.

Nach dem Ende seiner aktiven Karriere als Leistungssportler wurde Thomas Köhler als DDR-Trainer und Sportfunktionär bei der Heranziehung junger leistungsfähiger DDR-Sportler eingesetzt.

Von 1968 bis 1976 war er Cheftrainer der Rennrodel-Nationalmannschaft der DDR und in dieser Zeit für die Erfolge der Sportler um Anna-Maria Müller, Dettlef Günther, Hans Rinn und Wolfgang Scheidel verantwortlich.

Als promovierter Sportwissenschaftler wurde er 1980 zum Vizepräsidenten des Deutschen Turn-und Sportbunds gewählt.

Dr.Thomas Köhler war  Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees der DDR und bei den Olympischen Winterspielen 1984 in Sarajevo und 1988 in Calgary war er Chef der Mission der DDR-Mannschaft.

Nach 1990 arbeitete er als Geschäftsführer des Sportvereins der Berliner Interhotels und des Zentrum Warenhauses „IHW Alex 78e.V.“

Seit 1993 war Thomas Köhler bis zum Eintritt in den Ruhestand 2005 Marketingleiter der Berliner Feinkostfirma „Pfennig’s Feinkost“.

2011 veröffentlichte er sein Buch „Zwei Seiten der Medaille“.