Parlamentswahlen und
Präsidentschaftswahlen in Russland
Eine
empfindliche Wahlschlappe, eine Erdrutschniederlage, eine schallende Ohrfeige
für Wladimir Putin, so und ähnlich lauteten
fast unisono in den Westmedien die Schlagzeilen über die Staatsdumawahlen am 4. Dezember 2011. Der aufmerksame
Leser wird hier unwillkürlich die Frage stellen, warum man Putin ins Visier
nimmt, und nicht den derzeitigen russischen Präsidenten Medwedjew, der als
Spitzenkandidat auf die Kandidatenliste der Partei „Einiges Russland“ gesetzt wurde und somit künftiger
neuer Ministerpräsident Russlands werden soll.
Es
ist in Russland unbestritten, dass es nicht der Putin-Faktor, sondern eher der
Medwedjew-Faktor war, der mit knapp 50 % der Wählerstimmen zum Verlust der Partei
„Einiges Russland“ von 15 Prozentpunkten
gegenüber den Dumawahlen von 2007 führte und es zudem gegenüber den
Staatsdumawahlen von 2007 zu einem Rückgang der Wahlbeteiligung um 3,5
Prozentpunkte auf 60,2 % kam. Die Partei
„Einiges Russland“ erlangte dennoch die
absolute Mehrheit mit zwar nur noch 49,32 % der abgegebenen gültigen
Wählerstimmen anstelle von 64, 3 % im Wahljahr 2007. Damit ging ihr die vorher
innegehabte Zweidrittelmehrheit verloren.. Trotzdem behielt sie mit 238 Mandaten
die absolute Mehrheit der insgesamt 450 Abgeordnetensitze in der Staatsduma. Diese Mehrheit genügt zur Verabschiedung von
Gesetzen, außer Verfassungsgesetzen und wichtigen Strategiebeschlüssen, für die
eine Mehrheit von mindestens 300 Stimmen erforderlich ist.
An
den Wahlen nahmen 65 774 462 Wählerinnen und Wähler oder 60,21 % der
Wahlberechtigten teil. 1033462 Stimmzettel waren ungültig. (http://www.ltv.ru/news/election/193371
und http://www. vybory.izbirkom.ru/region/region/izbirkom?action=show&root=1&tvd=100…)
Die
größten Zugewinne an Abgeordnetenmandaten, nämlich 35, erzielten die
Kommunisten, die jetzt eine Fraktionsstärke erlangt haben, die sie berechtigt,
eigenständig Misstrauensanträge gegen die Regierung und Anträge auf ein
Impeachmentverfahren gegen den Staatspräsidenten zu stellen, sowie Vorschläge
an das Verfassungsgericht und den Föderalen Rechnungshof zu unterbreiten. Die
Regierung kann mit einfacher Mehrheit, der Staatspräsident mit Zweidrittelmehrheit
abgesetzt bzw. seines Amtes enthoben werden. Anzumerken ist hier, dass die
Kommunisten in einer besonders scharfen Gegnerschaft zu Medwedjew stehen, der von
diesen oft in eine Landesverräterrolle, vergleichbar mit Gorbatschow und Jelzin,
gestellt wird.
Medwedjew,
derzeit noch russischer Staatspräsident und Spitzenkandidat von „Einiges
Russland“, hatte noch im Frühjahr 2011 diese Partei wegen zu
großer Macht heftig kritisiert. Wegen
dieser und weiterer Fehltritte und auch politischer Fehler, hat er nicht gerade
Vertrauen in der Wählerschaft befördert. Dass die Partei „Einiges Russland“
aber dennoch die Wählergunst behalten konnte, ist vor allem der Tatsache zuzuschreiben,
dass Russland dank der guten Arbeit der Regierung unter Ministerpräsident Putin
die Folgen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise ohne harte soziale Einschnitte
und Verwerfungen, wie sie in den EU-Ländern zu verzeichnen sind, gut in den Griff
bekommen hat. Es gab in Russland z. B. keine Rentenkürzungen und
Mehrwertsteuererhöhungen, wie in vielen EU- und EURO-Ländern. Es gab in
Russland keine ansteigende Inflation und
kein Sinken der Realeinkommen der Bevölkerung. Im Gegenteil ! Die Wirtschaft und der Lebensstandard entwickelten sich
weiter in kontinuierlich aufsteigender Linie.
Kritiker,
sowohl Putins als auch Medwedjews, liefen eher auf die Seite der Kommunisten, als
zur Jabloko-Partei über, oder übten Wahlabstinenz.
Die
Wahlen verliefen auch nach über 95 % übereinstimmenden Aussagen der fast 1000
internationalen Wahlbeobachter aus 54 Staaten und der ca. 700 000 internen
Beobachter aus allen politischen Richtungen ehrlich, fair, korrekt und
transparent. Die Wahlergebnisse entsprechen dem Stimmungsbarometer in der
Bevölkerung, stellte auch Medwedjew in einem Gespräch mit seinen Anhängern fest.
Laut den Wahlprotokollen gab es 1057
Wahlbeschwerden, darunter 707 im Gebiet von Wolgograd. Die Anzahl der Wahlbeschwerden
hat sich somit gegenüber vorangegangenen Wahlen nicht nennenswert verändert. (http://www.ltv.ru/news/election/193448).
Stark
bemängelt werden die Wahlen hauptsächlich vom Westen.
Doch
das ist nicht verwunderlich. Befürchtet man doch im Westen, dass Russland unter
einem zukünftigen Präsidenten Putin einen ähnlichen Weg wie China einschlägt.
Dies
rief schon Vorfeld der Dumawahlen die
USA auf den Plan !!
Der Stellvertretende US-Präsident Biden
fuhr nämlich kurz nach dem Ausbruch des „arabischen Frühlings“, wie er in der
Westpresse genannt wird, nach Russland und warnte Medwedjew , sowie einen
Führer der Opposition, Kasparow, unverhohlen
„ sollte Putin sich wieder zur Präsidentenwahl stellen“, gäbe es
„unausweichliche Ereignisse, analog denen in der arabischen Welt ! !! “
( http://www.regnum.ru/news/polit/1382930.html#ixzz1I01sojqz )
Als
der sog. „arabische Frühling“ im Nahen Osten ausbrach, der bedingt durch die
von den USA ausgehenden Weltfinanzkrise und das von den USA initiierte
ungerechte Geldkurssystem in größere finanzielle Schwierigkeiten geriet als die
westlichen Länder, versuchten sie von Anbeginn diese Volksrevolutionen in ihrem
Sinne zu nutzen.
In
Libyen, das den höchsten Lebensstandard aller arabischen und erst recht aller
afrikanischen Länder, aufzuweisen hatte und in dem es folglich auch keinen
Grund für eine Volksrevolution gab, wollte man unter der faustdicken Lüge,
Gaddafi bombardiere sein eigenes Volk, militärisch intervenieren ( was dann
auch geschah!). Das Ziel der USA war es, das ölreichste Land im Nahen Osten
wieder unter imperialistische Gewalt zu bekommen, um damit:
Für
einen aus diesen Gründen von vornherein beabsichtigten Aggressionskrieg gegen
Libyen benötigte man aber das Stillhalten Russlands und Chinas im
UNO-Sicherheitsrat !!
Beide
Länder stimmten in der UNO leider weder der Resolution 1973 bezüglich Libyens
zu, noch lehnten sie diese ab, in der Hoffnung, dass mit ihrer Haltung dann der
Artikel 27 der UN-Charta in Kraft tritt, der besagt, „Beschlüsse des
UNO-Sicherheitsrates... bedürfen der Zustimmung....ALLER ständigen Mitglieder“.
Doch
die NATO bombardierte Libyen unter Außerachtlassung der UNO-Charta und ihrem
spezifischen Artikel 27 trotzdem !!
Damit
den USA und ihren westlichen „Bomben-Verbündeten“ durch die mittels offener
Aggression zugefallene reiche Beute nicht verloren geht und auch die anderen
arabischen und afrikanischen Länder neo-kolonialisiert werden können, will nun die
USA in Libyen den größten Militärstützpunkt der USA außerhalb ihres Territoriums
errichten !!
China
und Russland, die ebenfalls Anteile an den libyschen Ölraffinerien hatten,
wurden von der Neuverteilung der „Beute“ nach dem flächendeckenden
NATO-Bombardements Libyens ausgeschlossen.
Dies
stellt einen offenen Affront der USA gegenüber China und Russland dar !!
Die
unklare Haltung Chinas und Russland im UNO-Sicherheitsrat hatte besonders in
Russland zu Missstimmungen in der Bevölkerung, vor allem gegen ihren
Präsidenten Medwedjew, geführt.
Nun
hat das Volk der Russischen Föderation mit dem Stimmzettel sich mehrheitlich
trotzdem für die Partei „Einiges Russland „entschieden.
Wahlbeschwerden,
auch der Kommunistischen Partei Russlands, die sich bei den bevorstehenden
Präsidentschaftswahlen in Russland durchaus auch Hoffnungen auf
Regierungsposten machen dürfen, werden weiter geprüft. Trotzdem rechnet man russlandweit
aber nur noch mit marginalen Veränderungen des Wahlergebnisses. Sofortige Neuwahlen
zur Duma würden mit den bevorstehenden Präsidentenwahlen am 4. März 2012 kollidieren.
Es
gibt Leute, die Neuwahlen auf der Grundlage eines gesetzlichen Ausnahmezustandes
nicht ausschließen. Den müsste aber der russische, noch amtierende, Präsident Medwedjew
und die Staatsduma in der bisheriger Zusammensetzung verkünden.
Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt könnten nach
Umfragen sowohl :
a) der Partei Einiges Russland noch mehr Stimmen einbringen,
bzw.
b) den Kommunisten
einen Wahlsieg bringen.
Bevorstehende Präsidentschaftswahlen
In
knapp drei Monaten, nämlich am 4. März
2012, sollen Präsidentschaftswahlen in Russland stattfinden. Der gegenwärtige Vorsitzende
der Partei „Einiges Russland“, Wladimir Putin, wird dann als Kandidat dieser
Partei für das russische Präsidentenamt kandidieren. 6 weitere Parteien haben
ebenfalls das Recht, einen Präsidentschaftskandidaten aufzustellen und ins
Rennen zu schicken. Von der Partei „Gerechtes Russland“ ist bereits deren
Vorsitzender, Andrej Mironow, als Kandidat nominiert worden.
Die
politische Situation ist jetzt dergestalt, dass Medwedjew als
Noch-Staatspräsident fungiert und gleichzeitig den Status eines designierten
Ministerpräsidenten besitzt. Er muss aber von der Staatsduma noch in dieses Amt
gewählt werden. Nach der Verfassung und dem Wahlgesetz muss Putin erst nach seiner
erfolgten Wahl als Staatspräsident das Amt des Parteivorsitzenden niederlegen.
Medwedjew könnte als Spitzenkandidat von
„Einiges Russland“ Putin vorzeitig die
Führung der Partei abnehmen. Das Szenario, dass Medwedjew entgegen den
Abmachungen und Beschlüssen handelt, wird aber in Russland so gut wie
ausgeschlossen. Dennoch muss vermerkt werden, dass Medwedjew weiterhin kein
besonders gutes Verhältnis zu seiner Partei hat. Sonst würde er als Spitzenkandidat
auf deren Wahlliste und für den Posten des Ministerpräsidenten jetzt nicht
erklären, dass die Partei mit dem Wahlergebnis vom 4. Dezember 2011 schon das
höchstmögliche Resultat erreicht habe. Das zeugt von einem bedenklich distanzierten
Verhältnis zur Partei „Einiges Russland“.
Die
US-Regierung hat angesichts ihrer Enttäuschung über die Wahlen zur russischen Staatsduma
angekündigt, dass sie die finanzielle Unterstützung für
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Russland, insbesondere für „Golos“ (Die
Stimme), bei der bevorstehenden Präsidentenwahl stark erhöhen will. Wie dabei aus Washington
verlautet, sind bisher schon beträchtliche Mittel der US-amerikanischen Steuerzahler
an die russischen NGOs, wie „Golos“ , geflossen.
Die
russische NGO „Golos“ ist eine „regionale Zivilorganisation zur Verteidigung
der demokratischen Rechte und Freiheiten“, wie sie sich selbst auf ihrer Webseite
vorstellt.
Was
hat es mit den Vorwürfen der westlichen Medien zu tun, dass diese Organisation
in Russland „mundtot gemacht würde“ bzw.
wie Human Right Watch (eine von dem
Multimilliardär
Soros finanzierte Organisation) äußerte, „Opfer einer Schmierenkampagne“
geworden sei? Russische Organe fanden heraus, dass Golos und andere NGOs, welche
allesamt die Opposition (auch die geheime Opposition) unterstützen, Gelder aus dem Ausland erhalten haben, was gegen die russischen
Gesetze verstößt (und übrigens in jedem Land der Welt, einschließlich den USA,
so verboten ist). Golos führt auf ihrer Webseite alle ausländischen Partner auf, von denen
diese NGO unterstützt wird und Gelder
erhält. Darunter finden sich vor allem die Spezialisten für „Regimewechsel“,
die National Endowment for Democracy (NED) und das National Democratic Institute (NDI), zwei der
wichtigsten US-Sponsoren der „Orangenen Revolution“ in der Ukraine und der „Rosenrevolution“
in Georgien mit Soros an der Spitze. Auch die USAID ist als Partner von Golos
gelistet.
Während
US-Außenministerin Hillary Clinton am Rande der Bonner Afghanistankonferenz äußerte:
„Wir sind ernsthaft besorgt über den Verlauf der Wahlen… Die russischen Wähler
haben eine umfassende Untersuchung aller glaubhaften Berichte über Wahlbetrug
und –manipulation verdient“, gab Marc Toner, Sprechers des
US-Außenministeriums, kurz danach unumwunden die Ausweitung der finanziellen
Unterstützung von russischen Nichtregierungsorganisationen zu. „Wir müssen
mehr als neun Millionen Dollar für die Unterstützung eines freien und
transparenten Prozesses bei den bevorstehenden (Präsidenten-) Wahlen in Russland ausgeben.
Wie Sie wissen, liegt es in unserem Interesse, die Nichtregierungsorganisationen,
sowie den Prozess selbst und nicht irgendwelche einzelnen politischen Parteien
zu unterstützen“. Dabei gab er zu,
„Golos“ ist eine DER Nichtregierungsorganisationen,
die von uns Hilfen erhalten“. In diese Hilfen werden sicherlich auch
Bestechungsgelder (Silberlinge für hinterhältigen Verrat) für „Judasse“
enthalten sein, wie sie Putin genannt hat.
Nun,
Wladimir Putin hat sich in einer öffentlichen Stellungsnahme auf diese Vorgänge
bezogen und davor gewarnt, diesen Rattenfängermethoden auf den Leim zu gehen
und sich für Silberlinge zum Vaterlandsverrat korrumpieren lassen.
Stellungnahmen der Kommunistischen
Partei der Russischen Föderation zu den Wahlen
Unregelmäßigkeiten
bei der Wahldurchführung aufzudecken. ist legitim. In diesem Sinne handelt auch
die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF), die zahlreiche
Wahlbeschwerden geltend gemacht hat und auch an öffentlichen Protesten mitwirkt.
Wie u.a. der Stellvertretende Vorsitzende der KPRF und Stellvertretende
Vorsitzende der Staatsduma, Iwan Mel’nikow,
betonte, kämpft die KPRF schon seit 20 Jahren gegen Wahlfälschungen und thematisiert
diese immer wieder. Besonders gravierend waren sie unter Jelzin. Die Partei steht deswegen auch jetzt auf der
Seite derer, die Wahlfälschungen empfinden und ihre Empörung darüber in
Protesten zum Ausdruck bringen. Wenn das im nationalem Interesse Russlands geschieht,
ist das völlig in Ordnung, erklärte Mel’nikow.
Die
KPRF unterstützt natürlich nicht Machenschaften z. B. des US-Außenministeriums,
die das Ziel haben, in Russland Chaos und einen Umsturz im Sinne der „Orangen
Revolution“ in Kiew 2004, also einer „Revolution“ im Sinne des Westens
auszulösen.
Wenn
bestimmten ausländischen Kräften eine Destabilisierung in Russland von Nutzen
ist, dann seien Zweifel angebracht. Er sagte aber auch, dass die Ablehnung der
Partei „Einiges Russland“, Verzerrungen der realen Abstimmungszahlen einzugestehen, eine Hauptquelle der derzeitigen
Destabilisierung in Russland sei.
Zu
der Frage, ob die Abgeordneten der Kommunistischen Partei an den Aktionen am Sonnabend dem 10. Dezember
teilnehmen, erklärte Me’lnikow: „Die Kommunistische Partei führt ihre gesamtrussische Aktionen am 18.
Dezember durch und am 10. Dezember nehmen unsere Genossen an den Protestaktionen in Moskau und Dutzenden
Regionen teil. In Moskau wird am 18. Dezember auch in Hinblick auf die
bevorstehende Präsidentschaftswahl eine speziell von der KPRF organisierte Massendemonstration
gegen Wahlbetrug und für faire Wahlen stattfinden.“
Das
Verhalten der KPRF ist taktisch und strategisch völlig richtig. Es geht bei
ihrer Losung „Für faire Wahlen“ auch um die Präsidentschaftswahl am 4. März
2012, und da muss Sicherheit geschaffen werden, dass sie fair und sauber verlaufen.
Hier sind die Siegeschancen für Putin
durchaus nicht unbestritten. Wahlsieger könnte auch der Präsidentschaftskandidat
der Kommunisten werden. In vielen Regionen liegt er in den Umfragewerten an der
Spitze.
12.
12. 2011
Hans-Jürgen
Falkenhagen/Brigitte Queck
15.12.2011
*
Wie wir soeben erfahren haben, hat Medwedjew
auf sein Dumamandat der Partei „Einiges Russland“ als künftiger
Ministerpräsidentsanwärter zu fungieren, verzichtet.