Ecuador

 

Tobias Käufer, Bogotá: „Blickpunkt Lateinamerika“ am  2.1.2014

Ende einer grünen Utopie

Der Alptraum der Umweltschützer wird Realität: In Ecuadors einzigartigem Naturpark Yasuní beginnen im Januar die Vorarbeiten für die Förderung von Schweröl. Ecuadors Präsident Rafael Correa gibt der Welt dafür die Schuld, da die internationale Gemeinschaft nicht in einen Klimaschutzfonds einzahlen wollte.

Vor ein paar Monaten noch ließ sich Präsident Rafael Correa bei seinem Besuch in einer Berliner Universität feiern. Ecuadors Botschafter hatte eifrig die Werbetrommel gerührt, die TU Berlin ließ den Sozialisten über "Wege aus der Krise" referieren. Correas Kernaussage "Ecuador macht alles anders" kam gut an bei den über tausend Zuhörern. Nur ein paar Umweltschützer störten mit ihrer Unterschriftensammlung gegen den geplanten Raubbau im Amazonas den wohl inszenierten Auftritt.

In den Jahren zuvor hatte sich der Wirtschaftswissenschaftler aus Guayaquil mit seiner weltweit beachteten Yasuní-Initiative Aufmerksamkeit und Beifall der internationalen Staatengemeinschaft gesichert. Seine einfache wie innovative Idee: Ecuador lässt die vermuteten Erdölvorkommen im ökologisch besonders wertvollen Teil des Nationalparks, dem sogenannten Block ITT, unter der Erde, wenn die internationale Gemeinschaft im Gegenzug in einen Klimaschutzfonds einzahlte.

Gefeierte Mogelpackung

Doch die vor allem von grünen Umweltpolitikern aus Europa gefeierte Idee entpuppte sich als Mogelpackung. Die als Zielgruppe für eine finanzielle Unterstützung ausgemachten europäischen und nordamerikanischen Regierungen prüften das Vorhaben intensiv und stellten fest: Große Teile des Yasuní-Nationalparks im Amazonasgebiet werden schon längst ausgebeutet, vor allem mit dem rohstoffhungrigen China hatte Ecuador seine Geschäfte gemacht. Zudem kam das Angebot auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in Europa zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Europäische Regierungen wollten zunächst einmal die Banken und nicht den Regenwald retten. Und geschützt werden sollte ohnehin nur der verschwindend kleine Teil des Nationalparks, der sogenannte ITT-Block.

Als die Zahlungen ausblieben, erklärte Correa die Idee für gescheitert: "Mit tiefer Traurigkeit, aber auch aus Verantwortung gegenüber unserem Volk und unserer Geschichte muss ich eine der härtesten Entscheidungen meiner Amtszeit treffen", sagte Correa in einer Fernsehansprache und reichte den schwarzen Peter weiter: "Die Welt hat uns im Stich gelassen."

Chance verpasst

Die Traurigkeit hält nicht lange an: Im Januar werden nun die ersten Arbeiten im hochsensiblen Block ITT des artenreichsten Regenwaldes der Erde beginnen. Pedro Merizalde, Geschäftsführer des staatlichen Erdölunternehmens Petroamazonas, bestätigte dies der regierungsnahen Tageszeitung "El Telégrafo". Der Widerstand der indigenen Bewohner der betroffenen Region ist groß. Die regierungskritische Tageszeitung "El Universo" berichtet, dass sich Sprecher der indigenen Gemeinden getäuscht fühlen. Zuvor hatte es bereits heftige Proteste und Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und lokalen Gruppen gegeben.

Unterdessen profiliert sich Correa erneut als gewiefter Taktiker: Während er in der Heimat kompromisslos gegen Umweltverbände und indigene Gemeinden vorgeht, präsentiert sich der 50 Jahre alte Regierungschef international als engagierter Umweltschützer. Nicht die beginnenden Arbeiten im Yasuní-Park, sondern sein publikumswirksamer juristischer Kampf mit dem US-Konzern Chevron, dessen rücksichtlose Förderpraktiken im Amazonas eine Spur der Verwüstung hinterlassen haben, bestimmen die Schlagzeilen. Dass die Nordamerikaner sich weigern, dafür die fälligen Milliarden-Entschädigungen zu zahlen, ist für Correa eine politische Steilvorlage und lenkt von den umstrittenen Explorationsarbeiten im Ökosystem Yasuní-ITT ab. Dort lässt Correa nun Fakten schaffen. Von seiner Botschaft "Ecuador macht alles anders" ist nicht viel übriggeblieben. Europa und Ecuador haben eine große Chance verpasst.

Quelle: http://www.blickpunkt-lateinamerika.de/hintergrund/