Kuba : Die Raketenkrise in der Karibik im Herbst 1962

„(…) [D]er schon lange vorbereitete und am 12. Oktober 1962 in Kraft getretene Schlachtplan der militärischen Führung für die Kuba-Operation (…) sah die Einkreisung Kubas mit 24 bis 36 Zerstörern sowie Flugzeugträgereinheiten vor, Luftangriffe mit 450 bis 500 Flugzeugen sowie den Einsatz von Fallschirmjägern und Landungseinheiten der Marine mit zunächst 30000 Soldaten, die dann auf 180000 verstärkt werden sollten. Damit sich dieser gewaltige Aufmarsch formieren konnte, sollte ein großes US-Manöver in der Karibik den für die Invasion nötigen Nebelvorhang garantieren. Das Manöver begann am 15. Oktober mit 40 Kriegsschiffen, 20000 Seeleuten und 4000 Marines, der Invasionstruppe der USA. Es trug die Codebezeichnung PHIBRIGLEX-62, und das State Department merkte in seiner Dokumentensammlung dazu an: »Ziel der Übung war die Durchführung eines Landeangriffs. Die erklärte Absicht des Angriffs war der Sturz des angenommenen Tyrannen ›Ortsac‹ – Castro rückwärts buchstabiert.« (…)

Anfang Oktober 1962 [deutete] alles darauf hin, daß die Verwirklichung des von CIA-Chef John McCone sechs Wochen zuvor, am 21. August, vorgelegten »Aktionsplans« näher rückte, in dem eine »aggressivere Aktion« mit folgendem Ziel angekündigt worden war: »Mit ausreichenden Streitkräften das Land besetzen, das Regime zerstören, die Menschen befreien.« Bereits am Vortag hatte Generalstabschef Taylor dem Präsidenten klargemacht, daß keine Chance bestehe, Castro ohne eine militärische Okkupation der USA zu überwältigen. Offenbar stand der große US-Militärschlag gegen Kuba unmittelbar bevor, genau wie es General Lansdale Anfang des Jahres als Krönung der »Operation Mongoose« geplant hatte und wie es von Präsident Kennedy genehmigt worden war. Doch dann zerplatzten vorerst alle interventionistischen Blütenträume.

Am 16. Oktober, etwa 9.15 Uhr, erhielt der Präsident folgende Nachricht: Ein U2-Spionageflugzeug der CIA habe in Kuba sowjetische Mittelstreckenraketen und Abschußrampen entdeckt. Im Weißen Haus in Washington machte Justizminister Robert Kennedy seiner Wut über die durchkreuzten Invasionspläne Luft, indem er – so ist es überliefert – schimpfte: »Oh shit! Shit! Shit! Diese russischen Hurensöhne.« Die gefährlichen Tage der sogenannten Raketenkrise hatten begonnen. (…)

Der Bau von Abschußrampen für sowjetische Mittelstreckenraketen in Kuba wird heute zumeist als aggressive Handlung dargestellt, die Präsident Kennedy herausgefordert und den Frieden gefährdet habe. Die Ursache für die Stationierung, die drohende US-Invasion Kubas, wird gern ausgeblendet. (…)“

Horst Schäfer, in: junge Welt, 16./17.10.2012