Iran Akteur für den
Frieden im Nahen Osten oder mehr Öl ins Feuer?
von Luz María De Stéfano
Zuloaga de Lenkait
„Krieg ist
ultima irratio.“
Dieser Satz
ist von Willy Brandt. Mit Hinsicht auf den Springer-Verlag gilt die treffende
Frage vom Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, Gregor Gysi: „Ist es
wirklich in Ihrem Verlag so weit gekommen, dass Warnungen vor Krieg und Werben
für den Frieden gegen Ihre verlegerischen bzw. unternehmerischen Absichten
verstoßen?“ Krieg und Militarisierung lösen keine Probleme, weder in der
Nahost-Region, in Syrien noch sonst irgendwo auf der Welt. Kriegsdrohungen und
Kriegsvorbereitungen vergiften nur die politische Atmosphäre.
Günter
Grass hat recht. Davon ist nichts zurück zu nehmen. Bei den Medien verblüfft
allerdings, dass sie bei ihren Anfeindungen gegen Grass die aktuelle
Nachrichtenlage unberücksichtigt lassen, die eben in keinster Weise im
Gegensatz oder Widerspruch zu Grass Anmerkungen steht, sondern ihn stützt. Die
Front der Medien wird gegen Grass gemacht, ohne auf Argumente, ohne auf
Tatbestände einzugehen. Einige Berichte und Kommentare enden sogar mit
persönlichen Diffamierungen. Die Medien erscheinen, wie schon so oft in
Angelegenheiten von Krieg und Frieden, gleichgeschaltet. Uniforme öffentliche
Meinungsäußerung hat aber mit einer pluralistischen demokratischen Kultur und
Gesellschaft nichts zu tun. Günter Grass hat die Medien herausgefordert, aber
er erhält keine qualifizierte Antwort von ihnen. Sie steht noch aus. Ein erbärmlicher
Zustand, wenn bestimmte wichtige Themen aufgrund von Inkompetenz oder
Befangenheit einfach ausgeklammert werden.
Der
zentralen Frage vom Günter Grass wird ausgewichen, nämlich der, ob es stimmt,
dass Israel dem Iran mit einem militärischen Angriff droht. Die
Weltöffentlichkeit, nicht nur die deutsche, weiß, dass es stimmt. Was soll es
bringen, dies zu verschweigen, zu leugnen und darüber zu lügen? Hinsichtlich
dieser Kriegsdrohung müsste sich doch jeder Journalist die Frage stellen, ob
man nicht alles tun muss, um einen solchen Krieg zu verhindern.
Die
Behauptung vieler Medien, Grass habe Israel angegriffen, ist nicht nur
ärgerlich, sondern beschämend und lächerlich, eigentlich eine unverschämte
Flegelei. Richtig ist natürlich, dass er die Regierung Israels kritisiert und
die deutsche Bundesregierung dazu. Die Menschen in Israel selbst wollen keinen
Krieg gegen den Iran und sie sind es, mit denen sich die deutsche
Öffentlichkeit verbunden fühlen sollte, doch nicht mit einer verbrecherischen
Regierung! Die Versuche der israelischen Regierung, in der Region eine
Vormachtstellung durch Krieg und Besetzung einzunehmen beziehungsweise
auszubauen, werden als Gefahr für die Menschen nicht nur im Iran, sondern im
gesamten Nahen und Mittleren Osten gesehen. Das bekannte Klischee vom
Antisemitismus ist schon zu oft strapaziert worden, um bei aufgeweckten
Menschen zu verfangen.
Die
führenden deutschen Medien sollten sich einmal ohne Vorurteile folgenden
Kernpunkten widmen:
1. Krieg
ist kein Mittel der Politik von zivilisierten Staaten und entbehrt jeglicher
rechtlicher Grundlage und Legitimität. Er führt nur zu Katastrophen, erst Recht
im Fall des Angriffs auf den Iran, und zwar für den ganzen Nahen Osten und den
Rest der Welt.
2. Wer
spricht dennoch von militärischen Mitteln, also von Angriffskrieg, als Mittel,
das nicht vom Tisch ist? Der Iran?
3. Wer
heizt trotz aller offensichtlicher Kriegsgefahr im Nahen Osten die Lage durch
Waffenlieferungen und Lieferung von Ausrüstung wie atomwaffenfähiger U-Boote die
Lage dort noch an? Der Iran?
Die Partei
Die Linke ist die einzige im Deutschen Bundestag vertretene Partei, die
geschlossen und mutig gegen jede Art Krieg auftritt. Außer ihnen lassen sich
deutsche Politiker und Journalisten allesamt als ertappte Lügner von Günter
Grass vorführen: Ihr ständig wiederholter axiomatischer Ausgangspunkt, Iran
arbeite am Bau von Atomwaffen, ist nicht nur gänzlich unbewiesen, sondern
widerspricht auch den veröffentlichten Erkenntnissen aller westlichen
Regierungen, einschließlich der israelischen. Besonders viel gelogen wird
darüber im Springer-Verlag, bei der Welt. Soll das dort und anderswo eine Art
zeitgenössischer Ablasshandel sein, den man meint mit Israels Eliten auf diese
Weise eingehen zu müssen wegen der Verbrechen im Dritten Reich, anstatt sich
ordentlich mit diesen Verbrechen und ihren verantwortlichen Führungsfiguren
auseinanderzusetzen, Figuren, die vom Springer-Verlag und Gefolge in der
westdeutschen Bundesrepublik auch noch ungeschoren, ja kritiklos in Amt und Würden
zugelassen wurden? Welche abstoßende erbärmliche Charakterlosigkeit!
Der Westen
muss alle Forderungen und Versuche nach einem Regimewechsel in Syrien und Iran
fallen lassen. Lähmende Sanktionen, verdeckte Aktionen und Militärschläge sind
kriminelle Handlungen und müssen von der Politik als solche angesehen und
ausgeschlossen werden. Hoch aktuell verurteilte das Kirchenoberhaupt der
Katholischen Kirche, Summo Pontifex Benedikt XVI., die US-Blockade gegen Kuba
und erklärte, es sei der Auftrag Gottes, der Welt Liebe, Versöhnung und Frieden
zu bringen. Die päpstliche Verurteilung der Wirtschaftssanktionen gegen die
karibische Insel war zu erwarten und ist als grundsätzliche Ablehnung jeder
Sanktionspolitik gegen welches Volk auch immer zu bewerten. Von allen Seiten
nimmt deshalb derzeit der Druck auf das mächtigste Land der Welt zu, seine
aggressive Politik gegenüber Kuba und anderen Völkern zu revidieren.
Indessen
stimmen die USA, die EU und sogar Israel in drei Punkten überein: Teheran
besitzt keine Atom-Bombe, hat sich nicht für den Bau einer Atom-Bombe
entschieden und ist vom Besitz eines transportierbaren atomaren Sprengkopfs
Jahre entfernt. Irans gegenwärtiges Atomprogramm stellt daher keine
unmittelbare Bedrohung dar. Das lässt Raum und Zeit für eine erfolgreiche
Diplomatie.
Das
ARD/ZDF-Mittagsmagazin vom 11.4. um 13 Uhr gab hoffnungsvolle Nachrichten
hinsichtlich Syrien bekannt, wies aber auch auf Hindernisse für den
Friedensplan von Kofi Annan hin. Die Mission von Kofi Annan in Damaskus beim
Präsidenten Baschar Al-Assad sei erfolgreich gewesen. Der ehemalige
UN-Generalsekretär äußere sich zuversichtlich, was seinen Friedensplan
betreffe. Der Waffenstillstand kann seitens der Regierung vom 12.4. an in Kraft
treten. Der syrische Präsident stimmte ihm zu. Fraglich ist, ob die bewaffnete
Opposition sich an ihn halten wird, die von Katar, Saudi-Arabien und
Golf-Emiraten angestiftet wird, weiter gegen die offizielle syrische Regierung
zu kämpfen. Es ist allgemein bekannt, dass solche reaktionären arabischen
Länder Marionetten der USA sind, nämlich der reaktionären US-Neokonservativen.
Kofi Annan
reiste nach seinem Besuch von Damaskus weiter nach Teheran und hielt dort ein
erfolgreiches Gespräch mit dem iranischen Außenminister, der sich für den
Friedensplan von Kofi Annan entschlossen manifestierte und Iran als Akteur für
den Frieden im Nahen Osten erklärte. Es war ein gutes Signal vom
ARD/ZDF-Mittagsmagazin (11.4.), diese Nachricht sachlich zu veröffentlichen.
Die Fragen des Moderators an den Korrespondenten in Damaskus hätten es
allerdings unterlassen müssen, die Betonung auf Krieg und militärische
Intervention zu legen, als ob die ARD/ZDF-Redaktion des Mittagsmagazins danach
brennen würde. Was sollte es bedeuten, in jener Nachrichtensendung Deutschland
ins Spiel zu bringen und dabei die vernünftige deutsche Haltung im grausamen
Krieg gegen Libyen kritisch darzustellen? Derselbe Moderator formulierte im
Mittagsmagazin am 12.4. um 13 Uhr eine substanzlose Phrase, nämlich
„Deutschland hätte im Fall Libyen „viel Porzellan zerschlagen“. Der Moderator
hätte aber stattdessen die Waffenruhe in Syrien grundsätzlich begrüßen müssen.
Welches zerschlagene Porzellan meinte der kurzsichtige Moderator? Ist das
Porzellan der Versuche Frieden zu stiften gemeint, das an der Dickhäutigkeit
der Aggressoren gegen Libyen abprallte und zerschlug, an der jeder Versuch des
Friedensstiftens zerschellte?
Den
Annan-Plan einzuhalten ist nicht nur Sache der Assad-Regierung, sondern auch
der Opposition, die ihre Kämpfe einstellen muss. Diese klare
selbstverständliche Linie müsste der deutsche Außenminister zusammen mit allen
europäischen Außenministern einsehen und mittragen, anstatt einseitige
Forderungen an die syrische Regierung zu richten („Syrien verspricht Ende der
Gewalt“, SZ vom 12.4.). Die Einseitigkeit von Westerwelle steht im eklatanten
Widerspruch zum Friedensplan von Kofi Annan, der von den Aufständischen die
explizite Zusage verlangt, die Waffenruhe ebenfalls einzuhalten. Dazu sind die
Rebellen aber nicht bereit, weil für sie als Gefolgsleute der USA und ihrer
reaktionären arabischen Marionetten keine andere Lösung als der Sturz des
Regimes in Damaskus in Frage kommt. Es ist deshalb nicht nur bedauerlich,
sondern völlig unprofessionell, dass ein europäischer Außenminister, wie Guido
Westerwelle, der während des Kriegs gegen Libyen bittere Erfahrungen über die
hinterlistigen Hindernisse der USA gegen eine politische friedliche Lösung
sammeln konnte, noch dazu eine friedliche Lösung, die er selbst als deutscher
Außenminister begünstigte, jetzt in den Chor der bewaffneten Rebellen einstimmt
und nicht die klaren Worte und Kraft der UN-Diplomatie unterstützt. Das
Außenministertreffen des G-
Die schon
bekanntgegebenen Tatsachen verlangen Unterstützung von den zivilisierten
Medien: Über die Hälfte der syrischen Bevölkerung steht hinter dem Präsidenten
Assad. Der Präsident billigte den Friedensplan und den Dialog mit der ganzen
Opposition. Er will den Waffenstillstand gelten lassen. Einziges Hindernis ist
der bewaffnete Aktionismus einer militanten Opposition, die von Katar und
Saudi-Arabien weiter bewaffnet wird. Aus der Türkei kommen auch bewaffnete
Gruppen nach Syrien. Was tun die USA in dieser Lage? Bremsen sie ihre
Marionetten, halten die Meute an der Leine oder schütten sie mehr Öl ins Feuer?
In diesem
Zusammenhang appellierte der russische Außenminister Sergej Lawrow zu Recht an
die Staaten der internationalen Gemeinschaft, ihren Einfluss bei der syrischen
Opposition geltend zu machen und sie zu einem Waffenstillstand zu drängen. Die
Medien sollten, wenn ihnen der Schutz von Menschenleben etwas bedeutet, nicht
die Hauptanstifterin zur Gewalt und Destabilisierung Syriens in den Mittelpunkt
stellen und sie zu Wort kommen zu lassen, wie im Mittagsmagazin vom 12.4.
extrem ungeschickt geschehen mit einer durchtriebenen amerikanischen
Außenministerin, die, wie man heute weiß, hinter der bewaffneten Meute steckt.
Stattdessen wäre es glaubwürdig und ernsthaft angebracht, den Autor und Motor
des Friedensplans, nämlich den Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft
und ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan in Wort und Bild in den
Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu rücken, der sich eindeutig und
uneingeschränkt für die politische Lösung, für den Dialog in Syrien einsetzt,
wie viele Regierungskanzleien der Welt es begrüßen und besonders nachdrücklich
die beiden Länder Russland und China mit ihren Außenministern.