Peter Vonnahme: Offener Brief an Chefredakteur "Mein Unverständnis über  hetzerische Medienkommentare zum Ukraine-Konflikt"

Von: Peter Vonnahme [mailto:peter.vonnahme@onlinehome.de
Gesendet: Montag, 5. Mai 2014 01:31
An: Walter Roller; 
zuefle@augsburger-allgemeine.de; AA-Redaktion; SZ-Redaktion; SZ-Prantl Heribert Dr.; andreas.zielcke@sueddeutsche.de; spiegel; redaktion faz; redaktion focus; presse@stern.de; welt-red.; NachDenkSeiten; Florian Rötzer; NRhZ; phoenix; Tagesschau; WDR; ZDF; zdf-auslandsjournal; dradio; '"Günther Jauch"'; 'Deutsche Welle DW'; 'Tagesspiegel Online'; 'taz Tageszeitung'; 'Maybritt Illner'; 'Theo Koll'; 'WAZ Tageszeitung'
Betreff: Ukraine; Brief an Chefredakteur

Guten Morgen!

Ich habe gegenüber dem Chefredakteur meiner Heimatzeitung, der Augsburger Allgemeinen*, mein Unverständnis über seine hetzerischen Kommentare zum Ukraine-Konflikt geäußert. Leider prägt dieser Stil auch die einschlägige Berichterstattung dieser Zeitung zu diesem Konflikt.

Da dieser tendenziöse Journalismus für den Großteil der deutschen Leitmedien (von ARD über Bild, ... FAZ, Focus, ... Spiegel, SZ, taz, Welt ... bis Zeit und ZDF) stilprägend ist, habe ich mich entschlossen, meinen Brief auch anderen Medien sowie einem ausgewählten privaten Empfängerkreis zur Kenntnis zu geben.

Ich verbinde damit die Hoffnung,

·     dass sich einerseits der politische Journalismus unter dem Eindruck der wachsenden Kriegsgefahr allmählich wieder seiner ursprünglichen Aufgabe (objektive Information) besinnt und

·      dass andererseits die Leser, Rundfunkhörer und TV-Zuschauer einen kritischen Blick auf die journalistische Arbeit „ihrer“ Medien werfen und – falls erforderlich – mit Nachdruck mehr Objektivität einfordern.

Für etwaige Erfahrungsberichte oder Kommentare wäre ich dankbar.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Vonnahme 
Richter am Bayer. Verwaltungsgerichtshof (i.R.)

Maximilianstr. 6 
86916 Kaufering 
Tel: 08191-6110 
Mail: 
peter.vonnahme@onlinehome.de

* zweitgrößte Abonnement-Zeitung in Bayern (Auflage ca. 250.000)

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Von: Peter Vonnahme [mailto:peter.vonnahme@onlinehome.de
Gesendet: Dienstag, 29. April 2014 02:07
An: Walter Roller (
roller@augsburger-allgemeine.de)
Betreff: Roller und Putin

Sehr geehrter Herr Chefredakteur Roller,

Sie haben mir [kürzlich] in Ihrem Schreiben ... versichert, dass Sie und die Redaktion „sowohl in Kommentaren und Berichten als auch in den Leserbriefspalten der kritischen Auseinandersetzung ... hinreichend Raum geben – das war so und das wird auch so bleiben.“

Ob es jemals so war oder so bleiben wird, sei dahingestellt. Jedenfalls ist es gegenwärtig unter Ihrer Verantwortung nicht so.

Weder Sie persönlich noch Ihre Politikredaktion werden in der Ukraine-Krise dem erhobenen Anspruch auch nur ansatzweise gerecht.

Ihre beiden Kommentare („Putin ist ein gefährlicher Mann“ und „Am Rande eines Krieges“) sind geprägt von einer beklemmenden Doppelmoral und einer unübersehbaren Gehässigkeit gegenüber Putin. O-Ton Roller: Russland/Putin zündelt, schürt Unruhen, setzt seine auf die Macht der Bajonette gestützte Großmannspolitik fort, hat kein Interesse an einer Entschärfung der Krise, droht mit Einmarsch, exerziert eine neoimperiale Politik usw. Das könnte ich zur Not verstehen, wenn Sie oder Ihre Zeitung die zahlreichen neoimperialen und völkerrechtswidrigen Kriege der USA und der Nato ab den 90er Jahren (teilweise unter Beteiligung Deutschlands!) nur halbwegs so leidenschaftlich gegeißelt hätten. Doch alle diese zivilisatorischen Verbrechen wurden unter Hinweis auf Demokratie, Menschenrechte und Friedenssicherung schöngeredet und gerechtfertigt. Der Preis hierfür sind Millionen tote, verstümmelte, heimatlose und ihrer Würde entraubte Menschen.

Angesichts der von Ihnen zur Schau gestellten journalistischen Einseitigkeit, ja bisweilen Verblendung, wundern Sie sich nun, dass Putin „in Deutschland auf erstaunlich viel Verständnis“ stößt?! Offensichtlich durchschauen die meisten Menschen die von Ihresgleichen angelegten „double standards“ als das, was sie sind: scheinheilig und gefährlich. Ihr Schlussappell am Ende eines Kommentars, die EU möge „den Worten ...endlich Taten folgen“ lassen, ist schlicht und einfach bellizistisch und verantwortungslos. Entwaffnend für das auch von Ihnen zu vertretende Redaktionsklima ist ein kürzlicher Kommentar ihres Kollegen S. K., der seine berechtigte Anklage gegen den türkischen Premier Erdogan beflissen, aber völlig beziehungslos mit der Überschrift „Auf Putins Spuren“ überschrieben hat. Wenn Hitler nicht geht, muss es zumindest Putin sein. . .

Üble Stimmungsmache ist es auch, wenn in der heutigen Ausgabe mehrfach von gefangenen „OSZE“-Beobachtern die Rede ist und erst ganz am Ende des Berichts kleinlaut eingeräumt wird, dass es sich nach Angabe der OSZE um keine Mitglieder einer OSZE-Mission handelt, sondern um eine Mission unter Leitung der Bundeswehr – und zwar auf Anforderung der [illegitimen] Regierung in Kiew.

Sehr geehrter Herr Roller, besinnen Sie sich bitte wieder darauf, dass Sie nicht Pressesprecher des Nato-Generalsekretärs, des amerikanischen Präsidenten oder einer servilen Kanzlerin sind, sondern Chefredakteur einer Zeitung, die den Anspruch erhebt, überparteilich zu sein.

Zur Einstimmung in den Nachdenkprozess empfehle ich Ihnen das NDR-Interview mit der erfahrenen und redlichen Journalistin Dr. Gabriele Krone-Schmalz über die einseitige Medienberichterstattung im Ukraine-Konflikt. Vielleicht erleichtert es Ihnen die überfällige Neuausrichtung Ihres Gerechtigkeitskompasses.

http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/media/zapp7411.html

Da Sie mich jetzt vermutlich ohnehin schon als „Putin-Versteher“ oder gar als verbohrten Altkommunisten geortet haben, erlaube ich mir, einen Aufsatz zum Thema beizufügen, den ich kürzlich u.a. in TELEPOLIS und auf den „Nachdenkseiten“ veröffentlicht habe. (siehe: Ukraine: ein Musterfall von double standards... ...und ein Totalausfall staatsmännischer Kunst ). In Mainstream-Medien (wie der Augsburger Allgemeinen) ist die Publikation eines solchen Textes leider in mehrfacher Hinsicht ausgeschlossen.

Bitte sehen Sie mir meinen ungehaltenen Ton nach, er ist ehrlicher Ausdruck meiner gewachsenen Empörung.

Ich beabsichtige diesen Brief nächste Woche einem größeren Leserkreis zugänglich zu machen. Das hier kritisierte Verhalten ist nämlich symptomatisch für viele andere Leitmedien in Deutschland. Ich gehe davon aus, dass eine Veröffentlichung in Ihrer Zeitung nicht in Betracht kommt.

Mit freundlichen Grüßen

Peter Vonnahme 
Richter am Bayer. Verwaltungsgerichtshof (i.R.)

Maximilianstr. 6 
86916 Kaufering 
Tel: 08191-6110 
Mail: peter.vonnahme@onlinehome.de