„Pussy
Riot“ und die Doppelzüngigkeit Deutschlands in Religionsangelegenheiten
"Wer den
Gottesdienst oder eine gottesdienstliche Handlung einer im Inland bestehenden
Kirche oder anderen Religionsgesellschaft absichtlich und in grober Weise stört
oder an einem Ort, der dem Gottesdienst einer solchen Religionsgesellschaft
gewidmet ist, beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 3
Jahren, oder mit Geldstrafe bestraft." Hierbei handelt es sich nicht etwa,
wie man meinen könnte, um ein Repressionsgesetz aus dem feudal-autokratischen
Russland, auf dessen Grundlage die Punkband "Pussy Riot" (Aufstand
der Muschis )unter Empörung der Weltpresse zu Lagerhaft verurteilt worden wäre,
vielmehr entstammt dieser Paragraph 167 (Störung der Religionsausübung) dem
deutschen Strafgesetzbuch. Es ist auch nicht etwa so, dass dieser § 167 StGB
keine Rolle mehr in der Rechtspraxis spielte, sondern auf seiner Grundlage
werden nach wie vor Deliquenten verurteilt. So berichtete Welt-Online erst vor
ein paar Jahren von einem Fall, bei dem "erneut Gefängnisstrafen für
Kirchenstörer" verhängt wurden und zwar: Wegen "Randale in der
Hedwigs-Kathedrale und in der Marienkirche (muss) Andreas Roy für 17 Monate
hinter Gitter, Christian Arnhold für 10 Monate". Die Bandmitglieder von "Pussy
Riot" hingegen wurden bekanntlich wegen ihrer Performance in der
Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau zu 2 Jahren Haft verurteilt. Der Kölner Stadtanzeiger
vom 19.8.2012 liefert eine aktuelle Ergänzung:"Schock beim Beten: Drei
maskierte Sympathisanten der in Moskau verurteilten Punkband Pussy Riot haben
am Sonntagmorgen in bunten Kostümen den Gottesdienst im Kölner Dom gestürmt.
Wie die Kölner Polizei mitteilte, wurde gegen die Störer Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das
Versammlungsgesetz, Hausfriedensbruch und wegen Störung der Religionsausübung
gestellt...Domprobst Norbert Feldhoff hatte bereits angekündigt, eine Aktion
wie die von Pussy Riot hätte auch im Kölner Dom Konsequenzen...Der Strafbestand
wäre "Störung einer religiösen Stätte" ,so Staatsrechtler Professor
Ansgar Hense. Möglich sei eine Haftstrafe von bis zu 3 Jahren oder eine
Geldstrafe." Diese Beispiele allein würden genügen, um die
Doppelzüngigkeit Deutschlands in Religionsangelegenheiten zu entlarven. Aber es
kommt noch schlimmer !
Die
russische Punk-Band „Pussy Riot“ ist nominiert für den Preis der Lutherstädte
„Das unerschrockene Wort“. Das ist das Ergebnis einer Sitzung des Wittenberger
Stadtrats am 24. Oktober. Der Hauptausschuss der Stadt hatte die drei jungen Frauen,
die mit ihrem „Punk-Gebet“ in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale weltweit
für Aufsehen gesorgt hatten und deshalb von einem russischen Gericht wegen
Rowdytums zu zwei Jahren Straflager verurteilt worden waren, für den mit 10.000
Euro dotierten Preis vorgeschlagen. Damit solle ihr Mut und ihre
Unerschrockenheit gewürdigt werden. Zum Glück hatte sich jedoch Widerstand
unter den Wittenberger Bürgern geregt. So hatte die „Allianz der Bürger“
beantragt, die Nominierung aufzuheben. Dies wurde nun vom Hauptausschuss der
Stadt Wittenberg abgelehnt. Unter Vertretern der Kirche wird der Fall
kontrovers beurteilt. So hatte Propst Siegfried Kasparick erklärt, Wittenberg
mache sich mit dieser Nominierung „lächerlich“. Der Auftritt der Frauen in der
Christ-Erlöser-Kathedrale habe Menschen und ihre religiösen Gefühle tief
verletzt. Auch der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer hatte die
Ansicht vertreten, eine Lutherstadt solle keine „Gotteslästerung“ ehren. Die
Punkband habe mit ihren Texten am falschen Ort provoziert. Der Jenaer
Jugendpfarrer Lothar König hingegen begrüßt die Nominierung einem Bericht der
Mitteldeutschen Zeitung zufolge. Die Punkband sei eine „Ikone der globalen
Freiheitsbewegung“. Ihr Auftritt sei eine mutige Aktion gewesen, „die Respekt verdient“.
Im November wird eine Jury über die Vorschläge der 16 Lutherstädte entscheiden.
Der Preis soll im April 2013 bereits zum neunten Mal verliehen werden. Damit
geehrt werden Persönlichkeiten, „die im Sinne des Reformators Martin Luther
(1483-1546) Zivilcourage gezeigt haben“.
Ich glaube,
Luther würde sich im Grabe umdrehen, wie eine Religion und selbst ein Land wie
Deutschland, das eigentlich humanistischen Traditionen verpflichtet sein
sollte, schamlos der Lächerlichkeit preisgegeben wird !
Brigitte
Queck