Russland zu Wahlen in anderen Ländern

Die russische Politologin Veronika Krasheninnikova zu Unterstellungen, wonach Russland Wahlen in westlichen Staaten manipuliert: „Äußerungen von AfD-Offiziellen wären in Russland strafbar“ (Sputniknews)

Donald Trump, die angeblichen Manipulationen bei seiner Wahl durch Russland waren auch Gegenstand eines Gesprächs am Rande der Berliner Veranstaltung mit Veronika Krasheninnikova. Sie hatte Fadeev nach Berlin begleitet und Sputniknews nutzte die Chance, die angesehene Politologin unter anderem nach ihrer Einschätzung zu befragen, was sie von den ständigen Unterstellungen hält, wonach Russland Wahlen in westlichen Staaten manipulieren würde. Krasheninnikovas Antwort fiel ziemlich deutlich aus. Sie lächelte ihre Verärgerung weg, als sie sagte:

„Es gibt heute Menschen in Westeuropa, die öffentlich sagen, dass sie beabsichtigen, Wahlen zu beeinflussen, und die intensiv für rechte Bewegungen arbeiten. Und das sind fast alles US-Amerikaner. Vor allem einer: Steve Bannon, der Instrument war, um Donald Trump zum Sieg zu führen. Das was Cambridge Analytica dazu beitrug, ist extrem gut belegt und sehr wichtig. Der britische Fernsehsender Channel4 brachte eine exzellente Dokumentation, in der die Journalisten aus der Kommunikation von Cambridge Analytica berichteten, und sie erklärten im Detail, wie sie die Wahlen beeinflussten und was sie taten, um den Sieg in den so genannten Swing-States zu erringen.“

Wie Cambridge Analytica mit Hilfe von Facebook-Daten von Millionen US-Amerikanern aktiv die US-Präsidentschaftswahlen manipuliert hat, ist bekannt, aber merkwürdigerweise wird darüber kaum berichtet, sondern Russland die alleinige Schuld zugeschoben, was vor allem Steve Bannon „sehr glücklich“ machen muss. Bekanntlich war Bannon als Chef der erzkonservativen Plattform „Breitbart“, die ebenfalls massiv im US-Wahlkampf Propaganda betrieb, gleichzeitig auch der Chef von Christopher Wylie, der später dem „Guardian“ umfangreich und ausführlich die gezielte Manipulation der US-Präsidentschaftswahlen schilderte, worüber auch Sputniknews ausführlich berichtete.

Wahlbeeinflussung für die Rechten: Wer steht in Wirklichkeit dahinter?

Veronika Krasheninnikova  ist fest davon überzeugt, „dass heute Firmen mit der gleichen Technologie im Kontext der Europäischen Wahlen arbeiten“, nur seien das eben nicht russische. Die Umtriebe von Cambridge Analytica könne man noch als eine Art „privatwirtschaftliche Initiative“ bezeichnen, meint sie, aber die offiziellen Verlautbarungen aus der US-Administration lassen ihrer Meinung nach an Eindeutigkeit nichts vermissen:

„Wenn sie die Aussagen des US-Botschafters hier, Richard Grenell, hören, der offen sagte, dass die USA die so genannten Konservativen unterstützt und möchte, dass sie in Europa stärker werden, wenn sie dem US-Establishment in Washington zuhören, die Absicht ist ganz klar, Westeuropa zu schwächen. (…) Es sieht so aus, dass die US-Administration auf einem Kurs der Zerstörung oder zumindest der Schwächung des „Alten Europa“ ist, ein Name, den Donald Rumsfeld geprägt hat.“

Krasheninnikova hatte es bereits angesprochen, dass der ehemalige US-Präsidentenberater Steve Bannon und der derzeitige Botschafter der USA in Deutschland, Richard Grenell, ganz offen erklärten, sie wollten Kräfte in Europa stärken, die hier eher im politisch rechten Spektrum verortet werden. Dennoch wird auch in diesem Fall vor allem Russland unterstellt, es wolle rechtsnationalistische Parteien unterstützen, um Europa zu spalten. Sie kann es wie viele nicht mehr hören und betont erneut, ein starkes, lebensfähiges Europa liege im ureigensten vitalen Interesse Russlands. Und abgesehen davon mögen diejenigen, die beständig Derartiges behaupten, sich bitte eines in Erinnerung rufen:

„Jeder große Konflikt in Europa ging von rechten nationalistischen Bewegungen aus. Egal ob das in Ost- oder Westeuropa begann, Russland wurde mit hineingezogen und kam zwar als Gewinner heraus, aber mit großen Verlusten. Jedes Mal litten wir unter europäischen Nationalismen. Deshalb sind wir kategorisch nicht interessiert an einem rechten Europa.“

„Äußerungen von AfD-Offiziellen wären in Russland strafbar“

Und man könne die ganze Debatte ja auch genau anders herum betrachten, gibt Krasheninnikova zu bedenken:

„Es ist ehrlich gesagt überraschend, wie weit es in Europa schon wieder gekommen ist. Zum Beispiel, was AfD-Offizielle in Deutschland von sich geben, fiele in Russland umgehend unter mehrere Artikel des Strafgesetzbuches, die Hassreden und das Aufstacheln zu nationalistischen Konflikten betreffen. Das sind kriminelle Straftaten in Russland, und wir sind ehrlich gesagt überrascht, wie viel hier erlaubt ist zu sagen.

Es ist absolut unwahrscheinlich, dass eine Partei wie die NPD in Russland existieren könnte, das ist ebenso unverständlich für uns.“

Die Expertin weiß, dass die Bilder vom Empfang der Vorsitzenden des Front National, Marine Le Pen, durch den russischen Präsidenten Wladimir Putin im März 2017 natürlich mit voller Absicht durch westliche Medien immer und immer wieder als eine Art Generalbeweis für die Steuerung des Front durch Russland benutzt werden. Auch im Hinblick auf den umstrittenen Kredit für den Front National hat Veronika Krasheninnikova die russische Regierung mehrfach eindringlich vor den negativen Folgen für das Ansehen Russlands gewarnt. Allerdings pocht die Politologin auch darauf, fair und ehrlich zu bleiben und den Kontext nicht aus den Augen zu verlieren, in dem das seinerzeitige Treffen stattfand:

„Die Vereinigten Staaten trafen die Entscheidung – und Europa folgte dem – Russland zu isolieren. Aber Russland als Nation will nicht isoliert sein. Zur gleichen Zeit gab es in Westeuropa und Frankreich Kräfte, die herauskommen wollten aus ihrer Marginalisierung. Sie nutzten den Umstand, dass Russland an Kontakten interessiert war, weil die wichtigsten Parteien sich verweigerten, ich denke, in diesem Kontext hat dieses Treffen stattgefunden. Aber offensichtlich alle, die die Geschichte des Front National und einiger Personen im Umfeld von Marine Le Pen kennen, wissen, dass sie nicht Russlands Freunde sind. Ja, sie wollten Geld von Russland und sagten sehr freundliche Dinge, aber manche tun viele Dinge für Geld.“

Veronika Krasheninnikova betont aber auch, dass es nicht einzusehen ist, mit legal zugelassenen Parteien in Westeuropa keine Kontakte zu unterhalten. Es bleibe dabei, Russland wolle Europa als guten Nachbarn und Partner, der russische Interessen berücksichtige. Krasheninnikova betrachtet „fundamentale“ Reformen der Europäischen Union als „unabdingbare Voraussetzung für ihre weitere Existenz“, denn „dass die Bürokratie in Brüssel nicht mehr in Kontakt mit den Menschen ist, für die sie vorgibt, da zu sein, ihre Interessen zu vertreten“, das sei für die Moskauer Expertin klar ersichtlich.

Was Europa von Russland und Russland von Europa lernen könne, wollen wir deshalb abschließend von ihr wissen, und Veronika Krasheninnikova muss für eine Antwort nicht lange überlegen:

„Ich glaube, dass Europa von Russland beispielsweise die Integration von Migranten lernen könnte, was wir mit Millionen von Menschen geschafft und sehr gute Resultate hervorgebracht haben. Die Bewältigung aller Probleme, die notwendigerweise mit der Integration von Millionen Menschen zusammenhängen, das ist in Russland eine Erfolgsgeschichte. Europa könnte auch von Russland lernen, wie man mit über 200 verschiedenen Völkern zusammenlebt, als multireligiöse Gesellschaft in Frieden zu leben.

 Für uns in Russland ist es ziemlich fremd und ungewohnt, die Vorbehalte in Europa gegenüber Muslimen zu beobachten. Wir haben uns jahrhundertelang zusammen entwickelt und sind dabei durch alle schwierigen Momente der russischen Geschichte gegangen, indem wir neue Mechanismen entwickelt haben, für einen gemeinsamen Alltag. Und was wir von Europa lernen können? Nun, ich denke, die humanitären Werte Europas müssen wiederbelebt werden. Sie haben mit der Französischen Revolution begonnen und gingen bis zu unserer sowjetischen Geschichte. Ich glaube, das sind die wertvollsten Werte, die Europa Russland und der Welt geben kann.“

Quelle: https://de.sputniknews.com/gesellschaft/20190330324531278-moskauer-sprecher-fuer-soziale-politik-in-europa/