Strafanzeige
gegen die Mitglieder der Bundesregierung
wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch und
Tötungsverbrechen nach dem Strafgesetzbuch durch Unterstützung des Einsatzes
von Kampfdrohnen durch die USA
30.8.2013
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit erstatten wir Strafanzeige namens und in
Vollmacht von
1) Wolfgang Gehrcke, MdB, Obmann im Auswärtigen
Ausschuss, DIE LINKE
2) Karin Binder, MdB DIE LINKE
3) Dr. Diether Dehm, MdB, Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union, ´DIE LINKE,
4) Eva Bulling-Schröter MdB, Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit, DIE LINKE
5) Sevim Dagdelen, MdB, Auswärtiger Ausschuss, DIE LINKE
6) Heidrun Dittrich, MdB, Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
DIE LINKE
7) Heike Hänsel, MdB, Vorsitzende des Unterausschusses Vereinte Nationen,
Obfrau im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, DIE
LINKE
8) Ulla Jelpke, MdB, Obfrau im Innenausschuss,DIE LINKE
9) Jutta Krellmann, MdB, Obfrau im Ausschuss für Arbeit und Soziales, DIE LINKE
10) Alexander Ulrich, MdB, Obmann im Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union, Mitglied im Ältestenrat des Bundestages, DIE LINKE
11) Katrin Werner, MdB, Ausschuss für Menschenrecht und humanitäre Hilfe, DIE
LINKE
12) Herbert Behrens, MdB, DIE LINKE
13) Christine Buchholz, MdB, Verteidigungsausschuss, DIE LINKE
14) Andrej Hunko, MdB, Ausschuss für die Angelegenheiten der Eurpäischen Union,
DIE LINKE
gegen
den Bundesminister der Verteidigung Dr. Thomas de
Maizière
die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
sowie die übrigen Mitglieder der Bundesregierung
und unbekannte Bundeswehroffiziere
wegen aller in Betracht kommender Delikte,
insbesondere Beihilfe zu Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch und
Tötungsverbrechen nach dem Strafgesetzbuch durch Unterstützung des Einsatzes
von Kampfdrohnen durch die USA in Pakistan, Afghanistan, Jemen, Somalia und
anderen afrikanischen Ländern.
Zunächst bitten wir um eine Eingangsbestätigung und
Mitteilung des dortigen Aktenzeichens.
Vorsorglich wird schon jetzt beantragt, vor einer
eventuellen Abschlussverfügung Akteneinsicht auf unser Büro zu gewähren.
Entsprechend dem ungewöhnlichen Gegenstand der
Anzeige, sowie deren Umfang zur besseren Übersicht vorab ein
Inhaltsverzeichnis
A. Vorbemerkung zur Bedeutung der Strafverfolgung
von Kampfdrohneneinsätzen als Kriegsverbrechen 5
I. Zur rechtlichen Dimension der neuen Militärtechnik „gezielter Tötungen“
durch Kampfdrohnen 5
II. Die Auswirkungen der Kampfdrohneneinsätze 6
III. Zur historisch-politischen Dimension 8
IV. Zu berücksichtigende aktuelle Gerichtsurteile 9
B. Sachverhalt 11
I. Der politische und militärische Prozess des Drohneneinsatzes im Rahmen des
„Internationalen Krieges gegen den Terrorismus“ 11
1. Die Organisation des Drohnenkriegs der USA 11
2. Der politische und militärische Prozess 14
3. Der militärische und technische Prozess in Deutschland 15
4. Weitere Beteiligung deutscher Stellen 18
II. Die bisherige Stellungnahme der Bundesregierung 19
C. Die materiell rechtliche Würdigung „gezielter Tötungen“ durch
Kampfdrohneneinsätze nach dem geltenden Völkerrecht 23
I. Die maßgeblichen Vorschriften des Völkerrechts 23
II. Die Konsequenzen aus den völkerrechtlichen Regelungen und dem Friedensgebot
des GG 32
1. Keine Rechtfertigung gezielter Tötungen als „humanitäre Intervention“ oder
Ausübung des Selbstverteidigungsrechts 33
2. Keine Rechtfertigung gezielter Tötungen durch Drohneneinsätze im Rahmen des
OEF-Einsatzes 34
3. Keine Rechtfertigung gezielter Tötungen durch Drohneneinsätze in Pakistan 36
4. Keine Rechtfertigung gezielter Tötungen durch Drohneneinsätze in Jemen und
afrikanischen Ländern 36
5. Mögliche Rechtfertigung „gezielter Tötungen“ durch Drohneneinsätze nur im
Rahmen des ISAF-Einsatzes in Afghanistan gegen Kombattanten unter Beachtung der
Regeln des Kriegsvölkerrechts („jus in bello“) 36
D. Tatverdacht nach dem StGB und VStGB 38
I. Mord 39
1. Objektiver Tatbestand 39
a) Taterfolg 39
b) Unterlassen 39
c) Garantenstellung 40
d) Entsprechensklausel 40
e) Objektive Zurechung 41
2. Subjektiver Tatbestand 41
3. Rechtswidrigkeit 42
4. Schuld 42
5. Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts 43
6. Immunität 43
II. Kriegsverbrechen gegen Personen 43
1. Objektiver Tatbestand 44
a) Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt 44
b) Tatobjekt 44
c) Taterfolg, Unterlassen, Kausalität und objektive Zurechnung 45
d) Erweiterte strafrechtliche Haftung gemäß § 4 VStGB 45
2. Subjektiver Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld, Strafverfolgungsvoraussetzungen
45
3. Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts 45
III. Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung 45
1. Objektiver Tatbestand 46
a) Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt 46
b) Einzeltatbestände 46
aa) Angriff gegen die Zivilbevölkerung oder unbeteiligte Zivilpersonen 46
bb) Angriff gegen zivile Objekte 46
cc) Angriff mit unverhältnismäßigen Auswirkungen auf zivile Personen und
Objekte 47
2. Ergebnis 47
IV. Verbrechen gegen die Menschlichkeit 47
V. Nichtanzeige von Verbrechen 48
E. Ergebnis 48
A. Vorbemerkung zur Bedeutung der Strafverfolgung von Kampfdrohneneinsätzen
als Kriegsverbrechen
I. Zur rechtlichen Dimension
der neuen Militärtechnik „gezielter Tötungen“ durch Kampfdrohnen
Der Einsatz von Kampfdrohnen durch das US-Militär
im Rahmen des Internationalen Krieges gegen den „Terrorismus“ ist seit seinem
ersten Einsatz im November 2001 umstritten. Seit dieser Zeit befinden sich die
USA nach Vorstellung der Bush- wie auch der Obama-Administration in einem
„bewaffneten Konflikt“ mit Al-Quaida und assoziierten Kräften. Damit war die
Terrorbekämpfung aus der Zuständigkeit der Polizei und Strafverfolgung, in die
sie eigentlich gehört, herausgenommen und der Verfolgung durch die Armee
überantwortet mit ganz anderen rechtlichen Konsequenzen.
Die Kritik entzündet sich vor allem an der unbestreitbar hohen Zahl von Opfern
unter der unbeteiligten zivilen Bevölkerung.
Auch zwei Sonderberichterstatter der UNO haben sich
kritisch mit den Drohneneinsatz der USA auseinandergesetzt und ihre rechtlichen
Bedenken gegen den Einsatz in bewaffneten Konflikten formuliert. Außerhalb
bewaffneter Konflikte sah Philip Alsta kaum eine rechtliche Rechtfertigung für
den Einsatz von Drohnen. Besteht aber kein bewaffneter Konflikt, so ist der
Einsatz nach Polizeirecht und den internationalen Kodex der Menschenrechte in
den zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen zu bewerten. In jeden Fall handelt
es sich dann um einen Angriff auf menschliches Leben, eine „gezielte Tötung“.
Derartige „gezielte Tötungen“ (außerhalb bewaffneter Konflikte) sind unter
keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu akzeptieren; berauben Sie doch das Opfer im
Vorfeld, bei dem es sich ja zunächst um einen bloßen „Verdacht“ handelt, aller
Rechte, die ihm nach den menschenrechtlichen Mindeststandards zustehen: Sie
haben keinerlei Verteidigungsmöglichkeit und sind einer Art „Weltpolizisten“
ausgesetzt, der in der Person des US-Präsidenten gleichzeitig als Ankläger,
Weltpolizist, Richter und Henker in einer Person agiert – ein Zustand, der einen
Rückfall in die mittelalterliche „Vogelfreiheit“ darstellen dürfte.
Aber auch die Annahme, der Kampfdrohneneinsatz
erfolge im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes führt zu dem gleichen Ergebnis:
Die Kampfdrohnen dürften schon als neues Waffensystem nach dem Völkerrecht
verboten sein (siehe unten). In jedem Fall verstößt ihr Einsatz regelmäßig
gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, wie vor allem vom Internationalen
Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) angenommen wird.
Die USA befinden sich – außer mit den Taliban in Afghanistan – in keinem der
Länder, in denen bisher Kampfdrohnen eingesetzt wurden, in einem bewaffneten
Konflikt. Die bekannt gewordenen angeblichen Regeln für die Anwendung der
Kampfdrohnen in einem Merkblatt der Regierung werden offensichtlich nicht
eingehalten und sind im Übrigen nicht nachprüfbar und zum Teil in sich
widersprüchlich.
Die Verfolgung von Terroristen ist die Aufgabe von Polizei und Justiz, die
nicht einfach zu einer Aufgabe des Militärs gemacht werden kann. Auf jeden Fall
ist die Zustimmung des betroffenen Staats notwendig, wenn auf sein Staatsgebiet
die Jagd nach Terroristen erfolgen soll (Art. 2 Nr. 7 UN-Charta): Eine solche
liegt nur von der afghanischen Regierung vor; selbst die pakistanische
Regierung hat die Zustimmung inzwischen ausdrücklich verweigert. Gleiches ist
vom Jemen und anderen möglichen Einsatzgebieten anzunehmen.
II. Die Auswirkungen der
Kampfdrohneneinsätze
Trotz der Versuche, die genauen Voraussetzungen,
die Konsequenzen der Kampfeinsätze ebenso wie deren genauen Ablauf und
Voraussetzungen geheim zu halten, sind inzwischen zahlreiche Einzelfälle und
Zahlen dokumentiert.
Es gibt keine exakten Zahlungen über die zivilen
Opfer von „gezielten Tötungen“. Das Bureau of Investigative Journalism
recherchiert und sammelt seit mehreren Jahren Erkenntnisse zu
US-Drohnenangriffen: Von 2004 bis Ende Mai 2013 gab es demnach allein in
Pakistan 369 Drohnenangriffe (317 davon in der Amtszeit von Barack Obama), bei
denen insgesamt zwischen 2.541 und 3.530 Menschen, darunter vermutlich 411 bis
884 Zivilisten (davon über 160 Kinder) getötet wurden. Wiederholt wurde über
Einsätze von Kampfdrohnen auf Hochzeitsfeiern, Beerdigungen und anderen
Zusammenkünften berichtet. Hier einige ausgewählte Beispiele: Im März 2011 gab
es im Ort Datta Khel einen Drohnenangriff auf eine Zusammenkunft von Männern,
die sich – so wird in der erwähnten Studie berichtet – zu einer Jirga (einem
Treffen regionaler Würdenträger, auf dem öffentliche Entscheidungen getroffen
und interne oder externe Konflikte gelöst werden sollen) versammelt hatten, um
einen Disput über eine nahe gelegene Chromitmine beizulegen; unter ihnen
befanden sich einerseits Regierungsmitarbeiter und 35 von der pakistanischen
Regierung ernannte öffentliche Streitschlichter (so genannte Maliks), aber auch
vier Angehörige einer örtlichen Talibangruppe, die erschienen waren, weil der
aufgetretene Konflikt sich nur unter ihrer Beteiligung klären ließ. Die Maliks
hatten das örtliche Militär sogar einige Tage zuvor über die geplante Jirga
informiert. Bei diesem Drohnenangriff wurden mindestens 42 Menschen getötet und
14 weitere verletzt.
Die Folgen hat Heathcote Williams in seinem Beitrag
„Der Herr der Drohnen“ in „Lettre International“ vom Herbst 2012 so
geschildert:
„Erregte Menschenmengen in Islamabad recken Transparente „Stoppt die
Dracula-Drohnen-Angriffe“. Eine bekümmerte Schlagzeile lautet „Blutvergießen
unter unschuldigen Pakistanis“. Zeugen sagten, deltaförmige Fledermäusen flögen
vorbei und terrorisierten die Bevölkerung mit Fangzähnen, die Geschosse
auspien, Fleisch zerfetzten und Leben beendeten. Im fernen Stützpunkten sitzen
Predator-Pilot und „Sensormann“ im Raum voller Monitore, von wo aus beide auf
eine afghanische Prozession spähen, die sich vom Haus der Braut zum Haus des
Bräutigams bewegt, und sie können hören, wie das Hochzeitslied der Paschtunen
gesungen wird: „Ahesta boro, Mah-e-man...“ – „Ziehe langsam, mein lieblicher
Mond…“ Aber Leute im Dunkeln mit seltsamen Gerätschaften bedeuten laut den
Erkennungsmustern ihrer Handbücher: „Höchste Alarmstufe“. Obwohl Paschtunen bei
Hochzeiten traditionell Salven aus alten Gewehren abfeuern, werden solche
Bekundungen von digitalen Schnüfflern in Nevada als Bedrohung eingestuft. Zwei
Drohnenlenker nicken sich zu, schießen einen Feuerball ab, um die
Hochzeitsgesellschaft zu versenken, und die Lieblingswaffen des Präsidenten
brät Paschtunenfleisch in höllisch heißen Flammen. Das Hochzeitslied wird von
Explosionen übertönt; die künftigen Sprösslinge der Hochzeit werden durch
Tastendruck getötet. … notiert ein Psychiater aus Mirsanshah, Dr. Munir Ahmad:
„Die Frauen haben solche Angst vor dem Drohnengeräusch, dass sie sogar von
Türenzuschlagen erschreckt hemmungslos weinen.“ Mohammed Yaquob, ein Lehrer aus
Miransah, sagt: „Die Kinder haben solche Angst vor Drohnen, sie können sich
nicht auf ihren Unterricht konzentrieren. Sie sitzen einfach im Klassenzimmer,
schauen zu den Drohnen hoch, die dauernd am Himmel über dem Ort kreisen. Nachts
schlafen sie nicht. Sie fürchten, in ihren Betten bombardiert zu werden.““
Die renommierte International Human Rights and
Conflict Resolution Clinic der Stanford Law School hat zusammen mit der Global
Justice Clinic der renommierten NYU School of Law im September des letzten
Jahres eine umfangreiche Studie mit dem Titel “Living Under Drones, Death,
Injury, and Trauma to Civilians, From US Drone Practices in Pakistan“
herausgegeben. In der 165-seitigen Studie mit zahlreichen Dokumenten und
Fallanalysen sowie juristischen Bewertungen kommen die Autoren zu dem Ergebnis:
„Die Behauptung in den USA, der Gebrauch von
Drohnen in Pakistan sei von chirurgischer Präzision und Effektivität, durch die
die USA sicherer würden durch den Nutzen der gezielten Tötungen von Terroristen
mit minimalen Nebenwirkungen oder Kollateralschäden, ist falsch. Nach neuen
Monaten intensiver Untersuchungen vor Ort mit 130 Interviews und der
Überprüfung von tausenden Seiten von Dokumenten und Medienberichten präsentiert
dieser Bericht den Beweis des schädlichen und kontraproduktiven Effekts der
gegenwärtigen US Drohnen Politik ….
Eine reale Bedrohung der Sicherheit der USA und Zivilisten aus Pakistan
existieren in den pakistanischen Grenzgebieten, dem Ziel der Drohnen.“
(http://livingunderdrones.org/)
III. Zur
historisch-politischen Dimension
Neben einer unüberschaubaren Zahl kritischer
Medienberichte gibt es eine zunehmende Zahl von Protesten nicht nur in den
betroffenen Ländern, sondern auch in den USA und Deutschland, begleitet von
Analysen, Studien und einer rechtspolitischen Debatte. Die Kampfdrohneneinsätze
und ihre Folgen werden von der Friedensbewegung auf nationaler und
internationaler Ebene begleitet.
Der Versuch, die Grundlagen und die konkreten
Operationen bei den Kampfdrohneneinsätzen weitgehend zu verschleiern, macht
eine ausführliche Begründung der Strafanzeige in tatsächlicher und rechtlicher
Hinsicht notwendig. Ausgangspunkte sind auch hier die in den Kriegsverbrechertribunalen
von Nürnberg und Tokio nach dem Zweiten Weltkrieg ausgearbeiteten Prinzipien
zur Verfolgung von Kriegsverbrechen. Die Glaubwürdigkeit einer solchen
Verfolgung hat der US-amerikanische Chef-Ankläger in den Nürnberger Prozessen
Robert Jackson in seinem berühmten Eröffnungsplädoyer ausgeführt und betont:
Das hier gegen die deutschen Aggressoren angewandte Recht müsse auch
„Aggressionen durch jede andere Nation verurteilen, […] einschließlich derer,
die hier gerade das Gericht bilden“. Nur dann könnten Gewalt und Aggression
durch die jeweiligen Machthaber beseitigt werden, „wenn wir alle Menschen
gleichermaßen dem Recht unterworfen machen“.
Wie im folgenden darzulegen ist, erfüllen die Unterstützungshandlungen der
deutschen Regierung und des Militärs Straftatbestände des
Völkerstrafgesetzbuches (VStGB). Daneben bestehen ausreichende Anhaltspunkte
für eine Straftat der Beihilfe zum Mord nach § 211 StGB und der Nichtanzeige
eines Verbrechens nach § 138 StGB.
IV. Zu berücksichtigende
aktuelle Gerichtsurteile
1.
Die britische Zeitung „Independent“ berichtet über ein Urteil des obersten
Gerichts einer von Drohnenangriffen betroffenen pakistanischen Provinz, wonach
diese in den Stammesgebieten des Landes für illegal erklärt werden. In dem
Artikel heißt es unter anderem:
„Der Vorsitzende Richter Dost Muhammad der aus zwei
Richtern bestehenden Kammer, die sich mit den Petitionen befasste, verkündete
das Urteil; darin wird festgestellt, dass die Drohnenangriffe nicht nur illegal
und unmenschlich sind, sondern auch die Menschenrechtscharta der Vereinten
Nationen verletzen (also völkerrechtswidrig sind). Das Gericht war der Meinung,
die Angriffe seien als Kriegsverbrechen zu werten, weil dabei auch unschuldige
Menschen getötet würden. Nach einer Meldung des Press Trust of India hat das
Gericht gefordert: "Die Regierung Pakistans muss sicherstellen, dass in
Zukunft keine Drohnen-Angriffe mehr stattfinden." Außerdem habe es das
pakistanische Außenministerium gebeten, beim Sicherheitsrat der Vereinten
Nationen eine Resolution gegen die Angriffe einzubringen.
"Wenn die USA gegen diese Resolution ihr Veto
einlegen, sollte unsere Regierung über einen Abbruch der diplomatischen
Beziehungen zu den USA nachdenken" wird in dem Urteil gefordert. Nach
Auskunft von US-Offiziellen sind die Drohnen-Angriffe gegen Al-Qaida und die
Talibankämpfer in den pakistanischen Stammesgebieten gerichtet, die über die
Grenze hinweg Anschläge in Afghanistan verüben und sich damit brüsten, dass sie
ihre Operationen in stillschweigendem Einverständnis mit dem pakistanischen
Militär durchführen. Aktivisten behaupten, den Drohnen-Angriffen seien schon
Hunderte von Zivilisten als "Kollateralschäden" zum Opfer gefallen
und außerdem sei der Drohnen-Einsatz völlig undurchsichtig.
Die Klage gegen die Drohnen-Angriffe wurde im
letzten Jahr von der Foundation for Fundamental Rights, einer legalen, in
Islamabad ansässigen Stiftung, im Auftrag der Familien von Opfern eingereicht,
die am 17. März 2011 bei einem Drohnen-Angriff auf eine Stammesjirga getötet
wurden. Die Jirga, eine traditionelle Versammlung zur gemeinsam ausgehandelten
Beilegung von Konflikten, war einberufen worden, weil ein Streit über den Abbau
von Chromeisentein in Datta Khel im Norden Wasiristans geschlichtet werden
sollte. Bei dem Drohnen-Angriff wurden mehr als 50 Stammesälteste, darunter
auch mehrere Staatsangestellte, getötet. Dieser Angriff wurde in ganz Pakistan
verurteilt – auch von der Zentralregierung und der pakistanischen
Militärführung."
Beweismittel hierzu: Artikel des Independent
2.
Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klage eines Anwohners gegen die
Bundesrepublik Deutschland wegen der Nutzung der US-Airbase Ramstein zwar
abgewiesen, weil der Kläger wegen der Entfernung seines Wohnsitzes bis zu der
Airbase (12km) nicht klagebefugt sei, aber in dem Urteil wichtige Argumente der
Anzeigeerstatter bestätigt und außerdem die Berufung zugelassen. In dem Urteil
heißt es unter anderem:
„Das Verwaltungsgericht Köln stellt fest, dass das
Gewaltverbot des Art. 2 Nr. 4 der UN-Charta zu den allgemeinen Regeln des
Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG gehöre. Dazu gehörten auch fundamentale
Normen des Humanitären Völkerrechts und fundamentale Menschenrechte wie das
Verbot von Folter. Deswegen müssten die deutschen Staatsorgane diese Verbote
als bindende völkerrechtliche Norm beachten und Verletzungen nach Möglichkeit
unterlassen. Dabei sei auch Art. 26 mit seinem Verbot der Vorbereitung eines
Angriffskrieges zu beachten.
In diesem Zusammenhang führt das Verwaltungsgericht aus:
„Dementsprechend sind völkerrechtlich sehr
bedenklich wissentliche Unterstützungsleistungen seitens der Bundesrepublik
zugunsten der USA durch Gewährung von Überflugrechten und der Nutzung von im
Inland belegenen Militärstützpunkten, soweit die USA diese nicht innerhalb des
NATO-Rahmens und des Völkerrechts, sondern für völkerrechtswidrige Handlungen
nutzen sollten.“
Daher müsse die für die Genehmigung solcher
Flugbewegungen zuständige Behörde entscheiden,
„ob ein Luftfahrzeug den Luftraum der
Bundesrepublik Deutschland benutzen darf, insbesondere ob die Benutzung mit den
allgemeinen Regeln des Völkerrechts vereinbar ist, ob ein auf militärische
Anforderung eines nicht-deutschen Hoheitsträgers durchgeführter Flug gegen
solche Regeln verstößt und deutsche Behörden deshalb an seiner Durchführung
nicht mitwirken dürfen. Ggf. ist die Erlaubnis bzw. der Einflug in das
Hoheitsgebiet zu untersagen; Luftfahrzeugen, die an einem gegen das
völkergewohnheitsrechtliche Gewaltverbot verstoßenden militärischen Einsatz
bestimmt mitwirken, darf die Benutzung des deutschen Luftraums nicht gestattet
werden.“
Das inzwischen angerufene Oberverwaltungsgericht
hat in der Sache bisher soweit ersichtlich noch nicht entschieden.
B. Sachverhalt
I. Der politische und
militärische Prozess des Drohneneinsatzes im Rahmen des „Internationalen
Krieges gegen den Terrorismus“
1. Die Organisation des
Drohnenkriegs der USA
Der Einsatz von raketenbestückten Kampfdrohnen ist
erstmals überliefert in Afghanistan im November 2001, als ein ranghohes
Mitglied von Al-Quaida getötet wurde. Der US-Kongress hatte drei Tage nach dem
11. September 2001 eine Resolution „Authorization for Use of Military Force“
verabschiedet, mit der er den Präsidenten ermächtigte, militärische Maßnahmen
gegen Nationen, Organisationen oder Personen zu ergreifen, von denen er
annehme, dass sie Terroranschläge vorbereiteten, begingen oder unterstützten.
Seit dieser Zeit befinden sich die USA nach Vorstellung der Bush- wie auch der
Obama-Administration in einem „bewaffneten Konflikt“ mit Al-Quaida und assoziierten
Kräften. Damit war die Terrorbekämpfung aus der Zuständigkeit der Polizei und
Strafverfolgung, in die sie eigentlich gehörte, herausgenommen und der
Verfolgung durch die Armee überantwortet, mit ganz anderen rechtlichen
Konsequenzen. Präsident Obama hat aber nicht nur das Antiterrorkonzept seines
Vorgängers George W. Bush übernommen, sondern ausgeweitet und verschärft. Nach
Angaben der New America Foundation setzte Bush Drohnen 48mal in Pakistan ein,
Obama bis März 2013 307mal. Im Jemen ordnete Bush nur einmal im Jahr 2002 einen
Angriff mit Drohnen an, Obama hingegen allein im Jahr 20012 mindestens 46
Einsätze.
Alle Zahlen sind Schätzungen, da es keine
offiziellen Angaben gibt, sie beruhen auf Medienberichten mit oft anonymen
Quellen und zweifelhafter Zuverlässigkeit und divergieren je nach Organisation.
So liegen die Schätzungen des Bureau of Investigative Journalism etwas höher,
das für den gleichen Zeitraum von 366 Drohnenangriffen in Pakistan und im Jemen
von insgesamt 376 bis Februar 2013 ausgeht. Die britische Regierung
veröffentlichte Zahlen, nach denen das britische Militär von 2008 bis Oktober
2012 sogar 348 Drohnenangriffe in Afghanistan durchgeführt habe. Gänzlich
unübersichtlich und vage werden die Angaben über die Zahl Verletzter und Getöteter
sowie über die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kombattanten. Die
Regierungen der USA und Großbritanniens rechnen die zivilen Opfer systematisch
klein, um den Mythos der chirurgischen Präzision der Drohnen aufrecht zu halten
und dem völkerrechtlichen Vorwurf unverhältnismäßiger ziviler Kollateralschäden
zu begegnen. Dennoch können wir davon ausgehen, dass die immer wieder
gepriesene Wirksamkeit dieser Waffe im asymmetrischen Krieg der
Terrorbekämpfung eine stete Ausweitung des Einsatzes von Drohnen und des
Anstiegs der Opferzahlen mit sich gebracht hat.
Dafür spricht, dass die US-Regierung den Radius
ihrer Angriffsziele mittels einer simplen Definition spektakulär ausgedehnt
hat. Anfangs waren es einzelne Personen, die auf einer Todesliste (JPEL – Joint
Priority Effects List) identifiziert und von Präsident Obama persönlich zur
Exekution ausgewählt wurden, um dann das Ziel der Drohnenangriffe zu werden,
sog. personality strikes. Zunehmend wurde jedoch die Zielauswahl auf solche
Personen und Menschengruppen ausgedehnt, die lediglich bestimmte
Verhaltensmuster und Eigenschaften aufweisen, die einen Verdacht des
Terrorismus nahelegen, sog. signature strikes. Die USA rechnet alle Männer und
männliche Jugendliche im wehrfähigen Alter zu den Kombattanten, sofern sie sich
im Zielgebiet des Drohnenangriffes aufhalten, es sei denn, eindeutige Beweise
ergeben posthum, dass der Tote kein Kämpfer sondern Zivilist war. Die gezielte
Tötung auf der Basis eines bloßen Verdachts terroristischen Verhaltens
erleichterte nicht nur die Auswahl der Opfer, sondern vergrößerte auch die
Gefahr eines Irrtums und die Zahl der zivilen Opfer. Beides wurde jedoch nur
selten eingestanden und war schon gar nicht kontrollierbar, da mit der
gezielten Tötung ein Gerichtsverfahren vermieden wurde und wohl auch werden
sollte. Nur im Fall des US-Bürgers Anwar al-Awlaki, der am 30. September 2011
mit drei Begleitern durch eine Drohne im Jemen getötet wurde, und seines Sohnes
Abdulrahman al-Awlaki, der 14 Tage später ebenfalls durch eine Drohne in einem
Café getötet wurde, ist von dem New Yorker Center for Constitutional Rights im
Juli 2012 eine Schadensersatzklage gegen den damaligen Verteidigungsminister
Leon Panetta und den damaligen CIA-Direktor David Petraeus sowie zwei
Kommandeure der Spezialkräfte Klage erhoben worden. Präsident Obama hat die
Tötung der beiden US-Bürger inzwischen offen eingestanden, das Verfahren ist
noch nicht beendet.
a) Wie organisieren die USA
den Drohnenkrieg?
Der genaue Ablauf des US-Drohnen-Kriegs ist
öffentlich nicht bekannt. Die nachfolgenden Ausführungen stützen sich u. a. auf
die Ausarbeitungen der Informationsstelle Militarisierung e.V. Tübingen.
Die Vertreter der US-Regierung wahren weitgehend
eine entsprechende Geheimhaltung, sogar gegenüber dem Kongress. Dennoch
existieren in der Medienberichterstattung und in wissenschaftlichen Arbeiten
Beschreibungen, wie der Drohnen-Krieg der USA organisiert sein dürfte. Diese
Angaben basieren zumeist auf (oft anonymen) Quellen aus Kreisen der
Regierungsbehörden, der Nachrichtendienste, des Militärs sowie von Informanten
vor Ort. Ob diese Informationen wahr, falsch oder irgendwas dazwischen sind,
kann daher nicht überprüft werden. Auch verfolgen diese Personen mit der
Weitergabe ihres Wissens ihre eigenen Interessen. Diese Tatsache sollte immer
bedacht werden. Hier wird versucht die Grundzüge der Organisation des
US-Drohnen-Kriegs darzustellen, wie er zumindest häufig in öffentlich
zugänglichen Quellen abgebildet wird. Sein Ablauf ist nicht in jedem
betroffenen Land gleich, sondern variiert und unterliegt unterschiedlichen
Kriterien. Insofern handelt es sich bei dieser Darstellung sicherlich um eine
gewisse Verallgemeinerung, die dazu dient, zumindest die Grundlagen zu
veranschaulichen. Der Einsatz von Kampf-Drohnen der USA ist für folgende
Staaten bekannt: Afghanistan, Irak, Libyen, Pakistan, Jemen und Somalia. Die
Angaben entstammen folgendem Beitrag einer dreiteiligen Serie der Washington
Post mit dem Titel „Der permanente Krieg“: Greg Miller, Plan for hunting
terrorists signals U.S. intends to keep adding names to kill lists, www.washingtonpost.com, October 24, 2012. Nach Angaben der Washington
Post basiere die Serie auf Interviews mit Dutzenden von gegenwärtigen und
früheren Beamten der nationalen Sicherheitsbehörden, Geheimdienst-Analysten und
anderen mit dieser Thematik in Verbindung stehenden Personen.
2. Der politische und
militärische Prozess
Grob kann der Prozess einer sogenannten gezielten
Tötung in einen politischen (Schritte 1-4) und einen militärischen Teil
(Schritte 5-9) untergliedert werden. In einem 1. Schritt findet eine politische
Lagebeurteilung statt, indem Regierungsbehörden, die CIA, das Joint Special
Operation Command (JSOC), das Verteidigungsministerium und die NSA Namen von
Personen sammeln und Listen von Organisationen und mit diesen verbündeten
Gruppen erstellen, die sie als terroristisch einstufen. Eine solche Einstufung
kann vorgenommen werden, wenn die genannten Behörden zu der Einschätzung
gelangen, die betroffenen Gruppen oder Einzelpersonen würden sich an
Feindseligkeiten gegen die USA und ihre Koalitionspartner beteiligen. Was genau
unter Feindseligkeiten zu verstehen ist, bleibt undefiniert und anpassbar. Eine
Auflistung von Gruppen, die mit terroristischen Organisationen als verbündet
gelten, gibt es nicht, wie Regierungsvertreter bei einer Kongressanhörung im
Mai 2013 einräumen mussten.
Daraufhin erstellt das National Counterterrorism
Center (NCTC) Namenslisten (Schritt 2), die auf spezifischen Kriterien des
Weißen Hauses basieren. Es erfolgt eine Priorisierung der Ziele durch eine
Befragung von Experten, Geheimdiensten, lokaler Bevölkerung, der eigenen
Soldaten und Mitarbeiter vor Ort sowie durch den Einsatz von Satelliten,
Drohnen und Aufklärern. Diese Namenslisten übersendet das NCTC zur Prüfung an
den Unterausschuss des Nationalen Sicherheitsrates (Deputies Committee of
National Security Council). Der Nationale Sicherheitsrat besteht aus leitenden
Beamten der CIA, des FBI, des Außenministeriums, des Verteidigungsministeriums
und des NCTC unter Vorsitz des Antiterror-Beraters des Weißen Hauses (bis zum
08.03.2013 der heutige Chef der CIA, John O. Brennan, seither Lisa Monaco) und
wählt unter diesen Listen die Individuen aus, die dem Präsidenten als
Zielpersonen vorgeschlagen werden (Schritt 3).
Der Präsident schließt diesen Prozess mit seiner
Unterschrift unter die Liste mit denen zu Zielpersonen bestimmten Individuen
ab. In manchen Fällen wird diese Endverantwortung auch an bestimmte Beamte
delegiert, die dann im Namen des Präsidenten die politische Freigabe erteilen
(Schritt 4). Ist dieser Vorgang abgeschlossen, beginnt der militärische Prozess
mit dem Start der Mission. Es werden die Kampf- und Überwachungs-Drohnen der
Typen Predator (Raubtier), Reaper (Sensenmann) und Global Hawk (Globaler
Habicht) von den US-Drohnen-Basen in Afrika oder Asien aus gestartet, die der
Zielperson am nächsten liegen (Schritt 5).
Sobald sich die Drohnen in der Luft befinden,
werden sie von einem Piloten und einem so genannten Sensor Operator übernommen,
die auf einer Basis in den USA sich befinden und von dort aus das Ziel
ansteuern und orten. Bei Drohnen-Einsätzen in Afrika lenkt der Pilot die Drohne
mit Hilfe einer Satcom-Anlage, die im rheinland-pfälzischen Ramstein steht. Ein
zusätzlicher so genannter Mission Coordinator hält Kontakt zu den beteiligten
Einheiten. Die Daten, die Pilot und Operator brauchen, kommen bei den
Afrika-Einsätzen auch aus Deutschland. „Von hier aus wird der Drohnenkrieg in
Echtzeit ferngesteuert,“ bestätigt ein deutscher Techniker, der in Ramstein an
den Satellitenanlagen laut Süddeutschen Zeitung gearbeitet habe (Schritt 6 und
7).
Wer letztendlich den militärischen Befehl zur
Exekution (Schritt 8) eines Opfers gibt, ist unbekannt. Jedenfalls ist häufig
zu lesen, ein Rechtsberater entscheidet wie ein Notar, ob alle Voraussetzungen
für den Einsatz erfüllt sind. Am Ende der in Afrika stattgefundenen Einsätze
werten in Ramstein Spezialisten im sogenannten Battle Damage Assessment die
nach dem Angriff gewonnenen Daten aus (Schritt 9).
3. Der militärische und
technische Prozess in Deutschland
Ramstein wird Zentrum des
US-Drohnenkriegs in Afrika und Asien.
Eine Relaisstation unterstützt militärische
Regionalkommandos, ein in Ramstein angesiedelter Geheimdienst analysiert die
Aufklärungsdaten. Die Drohnen werden mutmaßlich über Deutschland in
Einsatzgebiete transportiert.
Für Einsätze von US-Kampfdrohnen werden offensichtlich auch Einrichtungen der
US-Armee in Deutschland genutzt. Das haben die beiden Journalisten Christian
Fuchs und John Goetz nach einer monatelangen Recherche öffentlich gemacht. Ihre
Erkenntnisse haben sie in einem Beitrag des Magazins "Panorama" und in
der Süddeutschen Zeitung berichtet . Die beiden konnten rekonstruieren, wie das
2008 neu eingerichtete Oberkommando des US-Militärs AFRICOM in Stuttgart in die
teils tödlichen Missionen mit unbemannten Flugzeugen eingebunden sind. Das
AFRICOM ist zuständig für Operationen in Afrika.
Eine besondere Rolle spielt aber das Air Operations
Center (AOC) der US-Air Force Basis in Ramstein. Denn die Einrichtung in
Rheinland-Pfalz dient als Relaisstation für die Funkverbindung nach Nevada, von
wo aus die Drohnen navigiert werden. Lediglich Start und Landung übernehmen
Piloten im Kriegsgebiet in einer "Ground Control Station" (GCS). Die
Verbindung der GCS nach Ramstein erfolgt vermutlich über Satellit, während die
Weiterleitung der Daten in die USA über ein Glasfaserkabel laufen dürfte.
Einsätze unter Einbindung von Ramstein könnten aber
nicht nur in afrikanischen Ländern erfolgen. Denn laut US-Armee werden dort
auch Drohnen im Rahmen der US-Regionalkommandos EUCOM und CENTCOM koordiniert.
Diese beiden militärischen Einrichtungen sind zuständig für Osteuropa sowie den
Nahen Osten, Ost-Afrika und Zentral-Asien. Es ist also davon auszugehen, dass
die tausendfachen "gezielten Tötungen" in Pakistan und Afghanistan –
zumindest teilweise – in Ramstein durchgeführt und damit verantwortet werden.
"Tor nach Europa und
Brücke überall hin"
Anscheinend wurde die Steuerung der Drohnen in
Ramstein bislang über ein provisorisches Lagezentrum abgewickelt, das nun
modernisiert wird. 2011 hatte die US-Luftwaffe eine Ausschreibung für eine neue
"SATCOM Relay Station" veröffentlicht, um unter anderem die Flüge der
Kampfdrohnen "Predator" und "Reaper" zu optimieren. Dort
heißt es:
"The construction of a Satellite Antenna Relay
facility and compound is required in order to support remote controlled aircraft
command links, connecting CONUS-based ground control stations / mission control
elements with UAS aircraft in the AOR. Therefore completion of this project
will satisfy the long-term SATCOM Relay requirements for Predator, Reaper and
Global Hawk, eliminating current temporary set-ups."
Im oben erwähnten Dokument wird darauf verwiesen,
dass die militärische Aufklärung durch die Drohnen sogar in Deutschland
ausgewertet wird. Denn die neue Relaisstation müsse unbedingt in der Nähe eines
Geheimdienstes gebaut werden, was in Ramstein gegeben sei. Um welchen Dienst es
sich handelt, bleibt aber offen. Gemeint ist womöglich das "Intelligence
Squadron" .
Nach dem derzeitigen Kenntnisstand hat die
Bundeswehr selbst keine gezielten Tötungen durch eigene Drohnen ausgeführt,
wohl aber solche bei den Streitkräften der USA in Afghanistan angefordert. Nach
Auskunft der Bundesregierung sei dies in zwei Fällen vorgekommen: Am 08.06.2009
sei auf Anforderung deutscher ISAF-Kräfte durch Waffeneinsatz eines unbemannten
US-Luftfahrzeugs eine behelfsmäßige Sprengvorrichtung (Improvised Explosive
Device, IED) zerstört worden. Am 11.11.2010 sei wiederum auf Anforderung
deutscher ISAF-Kräfte der Waffeneinsatz eines unbemannten US-Luftfahrzeugs
gegen eine Gruppe Aufständischer erfolgt, die beim Ausbringen einer
behelfsmäßigen Sprengvorrichtung (IED) an einer Versorgungsstraße beobachtet
worden seien. Vermutlich seien dabei vier Aufständische getötet worden
Deutschland und der
ISAF-Targeting-Prozess
Laut der Homepage des Bundesverteidigungsministeriums
tragen „Aufklärungsergebnisse deutscher Kräfte (...) zur Identifizierung und
Auswahl potenzieller militärischer Ziele im Rahmen des ISAF-Targeting bei.“ Es
würden Informationen über Personen weitergegeben, die mit der „Vorbereitung und
Durchführung von Anschlägen“ gegen ISAF und die afghanische Staatsgewalt „in
Zusammenhang gebracht“ würden. Da in Afghanistan auch Operationen gegen
Zielpersonen unter rein nationalem Kommando durchgeführt wurden, sei es „nicht
auszuschließen“, dass bei diesen Operationen „auch im ISAF-Bereich
bereitgestellte Erkenntnisse mit herangezogen werden.“ Mit anderen Worten: Die
Bundeswehr selbst gibt zwar für die von ihr auf die ISAF-Liste eingestellten
Personen die Handlungsempfehlung „Festnahme“ ab. Gleichwohl geschieht dies in
Kenntnis dessen, dass andere Staaten wie die USA gezielte Tötungen auch unter
der möglichen Verwendung der von der Bundeswehr gelieferten Informationen
vornehmen. Damit beteiligt sich Deutschland zumindest indirekt an gezielten
Tötungen und leistet dieser Praxis Beihilfe. Peter Rudolf und Christian
Schaller von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP) in Berlin kommen in
ihrer Targeted-Killing-Studie (S. 34) deshalb zu einer Handlungsempfehlung für
die Bundesregierung: „Aufgrund der völkerrechtlichen, ethischen und politischen
Probleme, mit denen das amerikanische Modell des ‚targeted killing‘ behafted
ist, sollte Deutschland so weit wie möglich Distanz zur amerikanischen Praxis
wahren“.
Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 31.05.2013
werden die Drohnendaten von Deutschland aus übermittelt; ohne diese Station für
unbemannte Flugobjekte könnten „Drohnenangriffe nicht durchgeführt werden“
zitiert die Zeitung aus einem internen Papier der US-Luftwaffe. Bei dem Bericht
handele es sich um einen Bauplan, wonach eine temporäre Anlage diese Aufgaben
bereits erfülle und in sechs Monaten durch eine dauerhafte Installation ersetzt
werden solle. Bis zu 650 Mitarbeiter überwachten in Ramstein den afrikanischen
Luftraum, werteten Drohnen- und Satellitenbilder aus und planten Einsätze, gibt
die „SZ“ weiter. Das US-Militär habe versichert, dass die Verantwortung für
alle militärischen Operationen in Afrika beim Ansatzführungskommando „AFRICOM“
liegt. Dieses sitzt seit 2008 in Stuttgart. Rund 1500 Soldaten und zivile
Angestellte arbeiten dort.
Beweismittel hierzu: Screenshot Süddeutsche Zeitung
vom 31. Mai 2013
4. Weitere Beteiligung
deutscher Stellen
Deutsche Stellen sind in die US-Praxis auf weitere
Art involviert. Die Bundeswehr und deutsche Sicherheitsbehörden benennen
Personen, die auf capture/kill-Listen (z. B. die in Zusammenhang mit dem
Afghanistankrieg bekannt gewordene sogenannte JPEL – Joint Priority Effects
List) der USA gesetzt werden . Die Bundesregierung versteckt sich auch hier hinter
dem Argument, die von deutschen Behörden benannten Personen dürften nicht
getötet, sondern nur gefangen genommen werden. Über eine auch nur
andeutungsweise effektive Kontrollmöglichkeit verfügen deutsche Behörden indes
nicht, sie sind also keinesfalls in der Lage, zu überprüfen, ob diese Bedingung
jemals eingehalten wurde. Da die USA längst dazu übergegangen sind, die in
ihren Listen gesammelten angeblichen „Hochwertziele“ nicht mehr festzunehmen,
sondern gleich zu liquidieren, kann dieser Argumentationsansatz der
Bundesregierung heute niemanden mehr überzeugen.
Deutsche Stellen sind an außergerichtlichen
Hinrichtungen der CIA aber noch auf andere Weise beteiligt: Bundesbehörden
tauschen Informationen mit US-Stellen aus und liefern so Daten über Personen, die
– ohne auf förmliches Verlangen der deutschen Regierung auf die JPEL gesetzt zu
werden – ebenfalls zu Zielpersonen „gezielter Tötungen“ werden. Deutschland ist
an den Drohnenprogrammen der USA und Israels schließlich auch im Rahmen von
Forschungsprojekten und Technologietransfers beteiligt; im 7.
EU-Forschungsrahmenprogramm ist Sicherheitsforschung ein Schwerpunktbereich, in
dem mit EU-Mitteln intensiv an neuen Technologien gearbeitet wird, und in dem
Israel als assoziierter Drittstaat an zahlreichen Programmen beteiligt ist .
II. Die bisherige
Stellungnahme der Bundesregierung
1.
In verschiedenen Stellungnahmen auf
parlamentarische Anfragen hat die Bundesregierung bisher lediglich bestätigt,
dass in Ramstein und Stuttgart US-Militär stationiert ist und die Bundeswehr
dort Verbindungskommandos zu den US-Einheiten unterhält, in Ramstein seit dem
01.06.1996, bestehend aus einem Verbindungsstabsoffizier und einem
Stabsdienstfeldwebel, in Stuttgart seit Mitte der 90er Jahre, ebenfalls
bestehend aus einem Verbindungsstabsoffizier und einen Feldwebel. Zu Ihren
Hauptaufgaben gehören u.a.
- „Mitwirken bei der Planung, Vorbereitung, Anlage
und Analyse von […] Übungen und Einsätzen, an denen sich deutsche und
amerikanische Streitkräfte beteiligen oder bei denen amerikanische und deutsche
Interessen berührt sind,
- unterstützen bei der Koordinierung der Besuche von Amtsträgern der Bundeswehr
beim […] AFRICOM …
- weiterleiten von Information zur Planung, Taktik, zu Einsätzen, zur
Strategie, sowie zur einschlägigen Forschung und Entwicklung, soweit dies gemäß
den Rechtsvorschriften und Ussancen beider Regierungen zulässig ist.“
Nach der Auskunft der Bundesregierung wurde
USAFRICOM als neues US-Militärkommando mit Zuständigkeit für Afrika in den
Jahren 2007 und 2008 mit Einverständnis der damaligen Bundesregierung in
Stuttgart eingerichtet. Der Auftrag von USAFRICOM lautet nach dem Bericht des
Oberbefehlshabers USAFROCOM u.a. :
„… führt auf Befehl militärische Operationen durch,
um transnationale Bedrohungen abzuwenden und zu bekämpfen“
Gleichzeitig hat die Bundesregierung bisher in dem
Zusammenhang wiederholt betont, dass auch die US-Streitkräfte das Recht des
Aufnahmestaates gemäß Art. II des NATO-Truppenstatutes zu beachten haben, und
konkret auf die Anfrage nach der Einschätzung von AFRICOM im Rahmen des
Völkerrechts und des deutschen Rechts hinzufügt:
„… der Bundesregierung liegen keine Anhaltspunkt
dafür vor, dass sich die Vereinigten Staaten auf deutschem Staatsgebiet
völkerrechtswidrig verhalten hätten.“
Auf die Frage, ob die bisherigen Regelungen
ausreichen, um verfassungs- und völkerrechtswidrige Handlungen auszuschließen,
und wenn ja, wodurch dies konkret sichergestellt werde, hat die Bundesregierung
geantwortet:
„… der amerikanische Außenminister hat ihm (d.h. dem
Bundesaußenminister am 31.05.2013 – d.Verf.) - versichert, das jedwedes Handeln
der Vereinten (richtig wohl: Vereinigten d.Verf.) Staaten auch von deutschem
Staatsgebiet aus, streng nach den Regeln des geltenden Rechts erfolge“
Es wird darauf hingewiesen, dass der US-Präsident
am 19.06.2013 konkret klargestellt habe, „dass Deutschland nicht Ausgangspunkt
(launching point) für den Einsatz von Drohnen sei“
Gleichzeitig wird in der Antwort auf die kleine
Anfrage der LINKEN eingeräumt:
„Die deutsche Seite hat keinen Zugang zu
eingestuften nationalen US-Informationen, die nicht ausdrücklich für Deutsche
und die NATO freigegeben sind“
Damit dürfte zu den „militärische Operationen“
feststehen: Unter Bekämpfen „transnationaler Bedrohungen“, fallen sicher auch
„gezielte Tötungen“ im Rahmen des „internationalen Krieges gegen den
Terrorismus“ von Al Qaida und „mit ihnen assoziierten Organisationen“. Die
Bundeswehr wird danach zwar durch ihre Verbindungsoffiziere informiert; die
deutsche Seite hat aber keinen Zugang zu besonders eingestuften nationalen
US-Informationen, wozu auch der militärische Einsatz von Kampfdrohnen gehören
dürfte. Vor allem aber ist die Auskunft, Deutschland sei nicht „Ausgangspunkt
für den Einsatz von Drohnen“ – richtigere Übersetzung wäre „nicht Startpunkt“ –
in dem Zusammenhang völlig nichts sagend; geht es wie dargelegt doch vorliegend
um die logistische Unterstützung und nicht darum, ob von deutschen Boden aus
die Kampfdrohnen eingesetzt werden, von Ramstein aus aufsteigen oder ähnliches;
schließlich ist die auf dieser Grundlage erfolgte Zusicherung der
US-amerikanischen Seite, man halte sich an das deutsche Recht und das
Völkerrecht auch in diesem Punkt unglaubwürdig, wie andere Beispiele zeigen
(s.u.).
2.
In dem Zusammenhang sei angemerkt, dass die
Entscheidung des Generalbundesanwalts, keine Anklage wegen eines
Drohnenangriffs in Mir Ali/Pakistan am 03.102.2010, bei dem ein deutscher
Staatsangehöriger getötet wurde, zu erheben, ebenfalls von unzutreffenden
tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen ausgeht.
Nach der Pressemitteilung hat der
Generalbundesanwalt zugrunde gelegt, dass der Drohneneinsatz Teil von
militärischen Auseinandersetzungen in einer „vielschichtigen Konfliktsituation“
(war), „die aus zwei sich überschneidenden nicht internationalen bewaffneten
Auseinandersetzung bestand“, von denen einer ein „innerpakistanischer“, der
andere „der aus Afghanistan herübereichende Konflikt“ zwischen Aufständischen,
die hauptsächlich vom pakistanischen Grenzgebiet agieren und der von der ISAF
unterstützten afghanischen Regierung sei.
Wie noch darzulegen sein wird, kann es nach dem
geltenden humanitären Völkerrecht keine Rechtfertigung für eine „gezielte
Tötung“ in Pakistan geben, erst Recht nicht im Rahmen eines
„innerpakistanischen Konflikts“. Schon aus diesem Grunde ist der zugrunde
gelegte Ausgangspunkt unzutreffend. Mit der Begründung hätte das
Ermittlungsverfahren nicht eingestellt werden dürfen.
Immerhin ist festzuhalten: Der Generalbundesanwalt
hat ein konkretes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Tötung eines
deutschen Staatsangehörigen im Zusammenhang mit Drohneneinsätze in Pakistan
eingeleitet und durchgeführt. Dies ist aber in allen Fällen von
Drohneneinsätzen insbesondere wegen der Unterstützung durch deutsche Stellen durchzuführen.
Die Entscheidung im konkreten Fall, keine Anklage
zu erheben, weil der getötete „Angehörige einer organisierten bewaffneten
Gruppe angehört habe, die als Partei an einem bewaffneten Konflikt teilnahm“,
ist noch aus einem anderen Grunde unzutreffend. Stellt doch der
Generalbundesanwalt darauf ab, der Getötete habe an einem Treffen von acht
männlichen Personen teilgenommen, darunter Mitgliedern von Al Qaida und den
Taliban, bei dem „Planung für ein Selbstmordattentat unter seine Beteiligung
auf Angehörige der pakistanischen Armee oder ISAF-Streitkräfte vorangetrieben
werden sollten“. Damit fehlt es außerdem an dem weiteren völkerrechtlichen
Erfordernis der „unmittelbaren Teilnahme an Feindseeligkeiten“ im Sinne von
Art. 51 Abs. 3 des Zusatzprotokolls II; zudem ist keine Notwendigkeit seiner
Tötung im Sinne des vom Völkerrecht geforderten militärischen Vorteils
ersichtlich; erst Recht waren nicht die Voraussetzungen des neuen Merkblattes,
das US-Präsident Obama im Mai 2013 bekannt gemacht hat (siehe oben) erfüllt,
wonach die Zielperson „eine anhaltende unmittelbare Bedrohung für
US-Amerikaner“ darstellen müsste, wie im Einzelnen im folgenden Teil C
dargelegt wird.
C. Die materiell rechtliche
Würdigung „gezielter Tötungen“ durch Kampfdrohneneinsätze nach dem geltenden
Völkerrecht
I. Die maßgeblichen
Vorschriften des Völkerrechts
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne
des Art. 25 Satz 1 GG müssen von den deutschen Staatsorganen als bindende
völkerrechtliche Normen beachtet werden. Dazu zählen nach der
Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.10.2004 insbesondere
auch
• das Gewaltverbot in seiner gewohnheitsrechtlichen Ausprägung gemäß Art. 2 Nr.
4 UN-Charta
• elementare Normen des Humanitären Völkerrechts und
• fundamentale Menschenrechte wie das Verbot von Folter.
(BVerfGE 112, 1 ff., 26)
In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wird ausdrücklich betont:
„Nach dem verfassungsrechtlichen Maßstab sind die
Behörden und Gerichte der Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, alles zu
unterlassen, was einer unter Verstoß gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts
vorgenommenen Handlung nichtdeutscher Hoheitsträger im Geltungsbereich des
Grundgesetzes Wirkung verschafft, und gehindert, an einer gegen die allgemeinen
Regeln des Völkerrechts verstoßenden Handlung nichtdeutscher Hoheitsträger
bestimmend mitzuwirken.“ (ebenda, S. 27).
Im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.
Juni 2005 heißt es in den offiziellen Leitsätzen des Zweiten Senats:
„6. Gegen den am 20.3.2003 von den USA und vom
Vereinigten Königreich (UK) begonnenen Krieg gegen den Irak bestanden und
bestehen gravierende rechtliche Bedenken im Hinblick auf das Gewaltverbot der
UN-Charta und das sonstige geltende Völkerrechts. Für den Krieg konnten sich
die Regierungen der USA und des UK weder auf sie ermächtigende Beschlüsse des
UN Sicherheitsrats noch auf das in Artikel für 51 UN-Charta gewährleistete
Selbstverteidigungsrecht stützen.
7. Weder der NATO Vertrag, das NATO-Truppenstatut,
das Zusatzabkommen zum
NATO-Truppenstatut noch der Aufenthaltsvertrag sehen eine Verpflichtung der
Bundesrepublik Deutschland vor, entgegen der UN-Charta und dem geltenden
Völkerrecht völkerrechtswidrigen Handlungen von NATO-Partnern zu unterstützen.“
Dies wird in der mehr als 90 Seiten umfassenden
Entscheidung ausführlich begründet und belegt. Aufschlussreich ist für unsere
Fragestellung eine Passage, die wörtlich lautet:
„ ein Verstoß gegen das völkerrechtliche
Gewaltverbot kann nicht ohne weiteres deshalb verneint werden, weil die Regierung
der Bundesrepublik Deutschland öffentlich wiederholt zum Ausdruck gebracht
hatte… „dass sich deutsche Soldaten an Kampfhandlungen nicht beteiligen
werden“. Die Unterstützung einer völkerrechtswidrigen Militäraktion kann nicht
nur durch die militärische Teilnahme an Kampfhandlungen erfolgen, sondern auch
auf andere Weise. Ein völkerrechtliches Delikt kann durch ein Tun oder - wenn
eine völkerrechtliche Pflicht zu einem Tun besteht –durch Unterlassen begangen
werden… eine Beihilfe zu einem völkerrechtlichen Delikt ist selbst ein
völkerrechtliches Delikt…“
Zur völkerrechtlichen Beurteilung der militärischen
Unterstützungsleistungen führt das
Gericht aus, gegen letztere bestünden " gravierende völkerrechtliche
Bedenken ":
"Dies gilt jedenfalls für die Gewährung von
Überflugrechten für Militär Luftfahrzeuge der USA und des UK, die im
Zusammenhang mit dem Irak-Krieg über das Bundesgebiet hinweg in das
Kriegsgebiet in der Golfregion flogen und/oder von dort zurückkam. Ebenfalls
gilt dies für die Zulassung der Entsendung von Truppen, des Transportes von
Waffen und militärischen Versorgungsgüter und von deutschem Boden aus in das
Kriegsgebiet, sowie für alle Unternehmungen, die dazu führen konnten, dass das
Staatsgebiet Deutschlands als Ausgangspunkt oder Drehscheibe für gegen den Irak
gerichtete militärische Operationen diente. Denn objektiver Sinn und Zweck
dieser Maßnahmen war es, das militärische Vorgehen in der USA und des U. K. zu
erleichtern oder gar zu fördern.“
Damit steht fest: schon die „unstreitigen“ Unterstützungshandlungen
durch Überflugsrechte waren völkerrechtswidrig.
„Dementsprechend sind völkerrechtlich sehr
bedenklich wissentliche Unterstützungsleistungen seitens der Bundesrepublik
zugunsten der USA durch Gewährung von Überflugrechten und der Nutzung von im
Inland gelegenen Militärstützpunkten, soweit die USA diese nicht innerhalb des
NATO-Rahmens und des Völkerrechts, sondern für völkerrechtswidrige Handlungen
nutzen sollten.“ (BVerwG NJW 2006, 77, 95 ff.)
Damit steht – auch für die nachführenden
Ausführungen – fest: Die hier maßgebliche Regelung des Völkerrechts ist das
Gewaltverbot der UN-Charta, dessen Art. 2 Abs. 4 vorschreibt:
„Alle Mitglieder unterlassen in ihren
internationalen Beziehungen jede gegen die trerritoriale Unversehrtheit oder die
politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete und sonst mit den Zielen der
Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“
In der UN-Charta gibt es nur zwei Ausnahmen vom
Gewaltverbot:
• Die Ermächtigung des Sicherheitsrates nach Art. 42, der aber einige
Verfahrensvorschriften vorgeschaltet sind, etwa ein Untersuchungsrecht und die
ausdrückliche Feststellung der Friedensgefährdung (Art. 39.);
• Das Selbstverteidigungsrecht des Art. 51, das aber ebenfalls nur unter
besonderen Voraussetzungen gegeben ist.
Obwohl das allgemeine Tötungsverbot im bewaffneten
Konflikt (Krieg) nicht gilt, ist die gezielte Tötung dennoch nur unter
besonderen Voraussetzungen und in engen Grenzen erlaubt.
Für neue Waffensysteme, wie z.B. Drohnen, gilt zunächst
Art. 36 Zusatzprotokoll I: „Jede Hohe Vertragspartei ist verpflichtet, bei der
Prüfung, Entwicklung, Beschaffung oder Einführung neuer Waffen oder neuer
Mittel oder Methoden der Kriegführung festzustellen, ob ihre Verwendung stets
oder unter bestimmten Umständen durch dieses Protokoll oder durch eine andere
auf die Hohe Vertragspartei anwendbare Regel des Völkerrechts verboten wäre.“
Damit soll sichergestellt werden, dass jede neue technische Waffenentwicklung
den Regeln des geltenden Völkerrechts unterworfen wird.
Bundesverteidigungsminister de Maizière stützt seine Rechtfertigung der
Kampfdrohnen auf einen Vergleich mit der Artillerie. Die Drohne wirke im Effekt
nicht anders als ein Artilleriegeschoss, nur viel präziser, womit sie dem
Verbot unterschiedsloser, d.h. ungezielter Tötungen des Art. 51 Abs. 4 ZP I
entspreche. Doch ist die spezifische Kampfaufgabe der Drohne grundlegend
verschieden von der der Artillerie. Sie exekutiert nach elektronischer
Zielaufklärung einzelne Personen oder kleine Personengruppen, die sich oft
außerhalb oder am Rande eines unmittelbaren Kriegsgeschehens befinden. Die
Selektion einzelner Terroristenführer und Hauptverdächtiger aus dem Gros des
terroristischen „Fußvolks“ ist mit der Artillerie nicht zu leisten. Sie macht aber
gerade die besondere Neuerung und den Wert der Drohne im Kampf gegen
Guerillaeinheiten. Erstmals ist ein Waffensystem entwickelt worden, welches die
Kampfvorteile des Gegners im Guerillakrieg aufwiegt. Allerdings kollidiert die
gezielte Tötung durch Drohnen öfter als eingestanden mit dem auch im
Völkerrecht geltenden Prinzip der Verhältnismäßigkeit. So schwer es im
Einzelfall zu konkretisieren ist, so bedeutsam ist es jedoch zur Eingrenzung
willkürlichen und exzessiven Handelns und zur Einhaltung menschenrechtlicher
Normen. Der Einsatz der Drohne hat nur die Exekution oder den Abbruch der
Aktion im Programm. Eine Gefangennahme, die z.B. einen evtl. Irrtum korrigieren
könnte, ist nicht möglich. Deshalb wird von den Presseabteilungen der Armeen
stereotyp und kaum nachprüfbar verbreitet, dass wieder ein hochrangiger
Terrorist, Extremist oder Islamist getroffen worden sei, möglichst noch in
flagranti.
Der allgemeine Grundsatz, der insbesondere vom
Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) propagiert wird, dass der
Gegner, wenn ohne Risiko möglich, gefangen genommen und nicht gleich getötet
werden soll, kann mit dem Drohneneinsatz nicht berücksichtigt werden. Es ist
zwar umstritten, ob dieser Grundsatz bereits rechtliche Verbindlichkeit erlangt
hat, in der Wissenschaft zum humanitären Völkerrecht wird dies allerdings
zunehmend angenommen. Besonders deutlich wurde die Missachtung dieses
Grundsatzes bei der Exekution Osama Bin Ladens durch die „Navy-Seals“ in
Abbotabad in Pakistan. Obwohl Bin Laden unbewaffnet war und sehr wohl hätte
festgenommen werden können, wurde er erschossen. Obama rechtfertigte die Aktion
damit, dass seine ursprünglich angestrebte Festnahme nicht möglich gewesen sei.
Die Tötung als ultima ratio, wenn eine Gefangennahme nicht möglich ist, steht
auch als Voraussetzung für einen Drohneneinsatz in einem Merkblatt des Weißen
Hauses, auf das sich Obama in seiner „Presidential Policy Guidance“ in einer
Grundsatzrede vom Mai 2013 (siehe unten) bezog.
In diesem Merkblatt sind etliche weitere Voraussetzungen
für den Einsatz tödlicher Gewalt vermerkt. So muss es eine „gesetzliche
Grundlage“ für den Einsatz geben und die Zielperson eine „anhaltende,
unmittelbare Bedrohung für US-Amerikaner“ darstellen. In einem Weißbuch des
Justizministeriums, dessen Inhalt kürzlich durchsickerte, ist allerdings zu
lesen, dass ein US-Bürger auch dann getötet werden kann, wenn es „keine klaren
Beweise dafür gibt, dass ein spezieller Angriff auf US-Amerikaner oder
US-Interessen unmittelbar bevorsteht“. Wenige Tage nach der Rede Obamas räumte
sein Justizminister Eric Holder ein, dass die CIA im September und Oktober 2011
vier US-Bürger durch Drohnen im Jemen getötet habe. Nur einer von ihnen, Anwar
al Awlaki, war als Ziel vorgesehen, die anderen, darunter auch sein 16 Jahre
alter Sohn Abdulrahman, waren „Kollateralschäden“. Später bekannte ein früherer
Offizier des Geheimdienstes der US-Army, man hätte Anwar al Awlaki auch
festnehmen können, die Regierung habe sich aber entschieden, ihn gleich zu
liquidieren. Die Drohnen wurden von einer geheimen Basis in Saudi-Arabien
gestartet. Wahrscheinlich ging die Befehlskommunikation über Ramstein.
Weiter fordert das Merkblatt, dass mit „nahezu
Gewissheit“ der Terrorist, auf den der Angriff zielt, auch tatsächlich am Ort
anwesend ist und Nichtkombattanten weder verletzt noch getötet werden können.
Diese Voraussetzung kann ein Drohnenangriff auf Grund eindeutiger
Identifizierung persönlicher Merkmale (sog. personality strike) eines auf der
Tötungsliste erfassten Terroristen bei gewissenhafter Prüfung noch erfüllen,
nicht aber mehr bei einem Identifizierungsprozess, der sich nur noch auf
typische Bewegungs- und Verhaltensmuster beschränkt (sog. signature strike).
Hier kann jeder, der sich nur im näheren Umfeld einer von Al Qaida infizierten
Einrichtung aufhält, zum Ziel eines Angriffs werden. Das zwingende Gebot, dass
jede militärische Handlung zwischen zulässigen militärischen Zielen und
unzulässigen zivilen Zielen, ob Objekte oder Menschen, zu unterscheiden hat
(Art. 52 Abs. 2 ZP I), ist mit dieser summarischen Verdachtsmethode kaum mehr
einzuhalten. Es wird deshalb immer wieder die unverhältnismäßig hohe Zahl
ziviler Opfer beklagt, selbst wenn auf Grund der mangelnden
Auskunftsbereitschaft der Regierungen präzise Zahlen nicht zu erhalten sind.
Verboten sind Angriffe, bei denen Tote und Verwundete unter der
Zivilbevölkerung sowie die Beschädigung ziviler Objekte zu erwarten sind, die
in „keinem Verhältnis zum erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen
Vorteil stehen“ (Art. 51 Abs. 5a oder b ZP I). Allein die Datenmengen, die von
den Drohnen übermittelt werden, überfordern die Möglichkeiten ihrer Auswertung
in vielen Fällen und führen zu Fehlanalysen mit den immer wieder berichteten
Irrtümern, denen Hochzeitsgesellschaften und zivile Feste und Versammlungen zum
Opfer fallen.
Schließlich sollen laut dem Merkblatt die zuständigen Regierungsstellen des
Staates, in dem der Drohnenangriff geplant ist, nicht bereit oder in der Lage
sein, „die gegen die USA gerichtete Bedrohung“ zu beseitigen und es keine
andere angemessene Alternative zur gezielten Tötung geben. Dies müsste in den
vergangenen Jahren für Afghanistan, Pakistan, Sudan, Jemen und Somalia gegolten
haben, die Hauptkriegsschauplätze für den Drohneneinsatz. Doch brauchen nach dem
ausdrücklichen Dispens des Merkblattes alle diese Voraussetzungen nicht erfüllt
zu sein, wenn der Präsident „unter außergewöhnlichen Umständen Drohnen-Angriffe
anordnet, die legitim und notwendig sind, um die USA und ihre Verbündeten zu
schützen“. Diese „außergewöhnlichen Umstände“ hat der Präsident selbst
einzuschätzen. Sie müssen in den letzten Jahren permanent vorgelegen haben.
In der rechtlichen Bewertung der Drohneneinsätze
sind sich die deutsche und US-Regierung weitgehend einig. Bundesverteidigungsminister
de Maizière sieht keine rechtlichen und ethischen Probleme, wenn die Drohne wie
die Artillerie im Krieg eingesetzt werde, eine extralegale Tötung, wie es die
Praxis der USA sei, komme nicht in Frage. “
Gleichzeitig haben Vertreter der Bundes wiederholt
betont, sie hätten keine Veranlassung anzunehmen, die Erklärung der
US-Regierung, sich bei ihren Aktivitäten auf deutschem Boden, auch bei
Drohnen-Einsätzen, an deutsches Recht zu halten, sei unzutreffend.
Wie haltlos diese Annahme ist, zeigt zunächst ein
kurzer Rückblick. Unter dem Amtsvorgänger von Präsident Obama, Präsident George
W. Bush, wurden zahlreiche, dem „internationalen Terrorismus“ zu gerechneten
Personen vorwiegend in Pakisten und Afghanistan als» feindliche Kämpfer«
gefangen genommen und nach Guantananmo, einem US-Militärstützpunkt auf Kuba,
verbracht, dort verhört und gefoltert, statt sie als Kriegsgefangene zu
behandeln. Die Konstruktion des »feindlichen Kämpfers,« ist in dem Völkerrechts
fremd, sie diente einzig und allein dazu, sie unter Bruch des Völkerrecht auf
Guantanamo foltern zu können. Dies wäre auf US amerikanischem Territorium wegen
der dort geltenden Verfassungsgarantien nicht möglich gewesen.
Hierzu aus einem Beitrag des
Verfahrensbevollmächtigten H. Eberhard Schultz aus dem Jahre 2005:
“US-amerikanische Menschenrechtsorganisationen wie
Human Rights Watch und andere protestieren seit längerem regelmäßig und mit
zunehmender Schärfe. Auch an kritischen Äußerungen namhafter Juristen fehlt es
nicht. So erklärte der britische Lord Richter Johan Steyn, einer der höchsten
britischen Richter, das Lager sei ein Fall „äußerster Rechtlosigkeit“ und ein
„ungeheuerliches Versagen der Justiz“. Die britische Regierung müsste das
Vorgehen der USA endlich „öffentlich und unzweideutig“ verurteilen. Weiter
heißt es: „Der Zweck, die Gefangenen in Guantanamo zu internieren, war und ist,
sie in einem rechtsfreien Raum, jenseits des Schutzes aller Gerichte
festzuhalten, der Gnade der Sieger zu überlassen […] Die Frage ist, ob die
Qualität der Rechtsprechung, die für die Gefangenen von Guantanamo vorgesehen
ist, den internationalen Mindeststandards für ein faires Verfahren entspricht.
Die Antwort darauf ist kurz: Ein klares Nein.“ Sogar der britische Kronanwalt
Michael Mansfield sieht den zentralen Grundsatz abendländischen
Rechtsverständnisses ignoriert, die Unschuldsvermutung. Premier Tony Blair
müsse sich den Vorwurf gefallen lassen, ob er, wenn er es nicht fertig bringe,
9 Landsleute nach Hause zu holen, wirklich nur Bush’s braver Schoßhund sei.
Selbst wenn die Verweigerung des
Kriegsgefangenenstatus rechtmäßig wäre, müßte die US-Administration den
Inhaftierten grundsätzlich den Schutz ihrer Menschenrechte nach ihren
allgemeinen Haftregeln gewähren, das heißt, ein ordentliches Strafverfahren
durchführen oder sie umgehend freilassen .
Der vorsätzliche Entzug des Rechts eines
Kriegsgefangenen auf ein unparteiisches ordentliches Gerichtsverfahren ist
nicht nur nach Art. 130 des III: Genfer Abkommens, bekräftigt durch Art. 85 des
I. Zusatzprotokolls von 1977 strafbar, auch Art. 2 des ad-hoc-Tribunals für
Jugoslawien und Art. 8 Abs. 2 a VI des Statuts des internationalen
Strafgerichtshofes ICC bestimmen als schweres Kriegs-verbrechen - „den
vorsätzlichen Entzug des Rechts von Kriegsgefangenen oder Zivilpersonen auf ein
unparteiisches ordentliches Gerichtsverfahren.“
Vor diesem Hintergrund erschienen die Maßnahme der
Bush-Administration, die die Zustimmung zum römischen Statut zurückzuziehen,
und ein Gesetz wonach eine militärische Intervention in den Niederlanden
erfolgen soll, falls ein US-Staatsbürger dem ICC überstellt werden sollte,
durchaus folgerichtig.
Bei den Inhaftierten handelt es sich also entweder
um POW oder um Untersuchungsgefangene im Rahmen eines Strafverfahrens; ein
Drittes gibt es nach den internationalen Rechtsnormen nicht. Wie aber begründen
die USA ihre davon abweichende Haltung? Sie berufen sich auf eine Rechtsfigur
des „enemy combatant“, also, wörtlich übersetzt, des „feindlichen Kämpfers“,
auch freier übersetzt als irregulärer Kämpfer, rechtloser Kämpfer, gesetzloser
Kämpfer, ungesetzlicher Kombattant und ähnliches. Diese Rechtsfigur gibt es nur
in der US-amerikanischen Rechtsprechung und sie ist auch dort sehr umstritten.
Der Status des “irregulären Kämpfers“ hat zur Folge, daß Gefangene unbegrenzt
in Haft gehalten und vor Militärkommissionen gestellt werden können, die vom
amerikanischen Präsidenten eingesetzt werden.“
Daraus lässt sich zweierlei schlussfolgern: zum
einen, dass den Zusicherungen der US-Administration entgegen der Behauptung der
Bundesregierung keinesfalls zu vertrauen, sondern gründlich zu überprüfen ist.
Zum anderen, dass die US-Adminstration zur Rechtfertigung ihrer
völkerrechtswidrigen Praktiken schon in der Vergangenheit rechtlich haltlose
Konstrukte genutzt und ihre Praxis nicht nur lange Zeit gerechtfertigt hat,
sondern schwerste Menschenrechtsverletzungen wie systematische Folter geleugnet
und dann zu bagatellisieren bzw. zu rechtfertigen versucht hat.
All dies ist inzwischen ebenso allgemeinkundig wie
die jahrelang geleugneten geheimen Flüge des CIA zwecks - ebenfalls
völkerrechtsidriger - Verbringung von Gefangenen in Folterzentren in anderen
Staaten („Rendition“). Diese allgemeinkundige Praxis der US-Administration ist
für die Frage des Vorsatzes bei den Untersützungehandlungen von
ausschlaggebender Bedeutung (s.u.)
Die bereits erwähnte Verfassungsrechtlerin Marjorie
Cohn hat das neue Merkblatt der US-Regierung vom Mai 2013 einer kritischen
Überprüfung unterzogen und u.a. festgestellt:
„Zu den in dem Merkblatt genannten Voraussetzungen
für die Anwendung tödlicher Gewalt gehören auch die nachfolgend beurteilten:
1. Vorbedingung ist eine "gesetzliche
Grundlage" für den Einsatz tödlicher Gewalt. Es wird aber nicht
festgelegt, ob diese "gesetzliche Grundlage" auch geltende Verträge
berücksichtigt – zum Beispiel die UN-Charta, die den Einsatz militärischer
Gewalt nur zur Selbstverteidigung gestattet, oder wenn der UN-Sicherheitsrat
zugestimmt hat.
2. Die Zielperson muss eine "anhaltende,
unmittelbare Bedrohung für US-Amerikaner" darstellen. In dem Merkblatt ist
aber weder "anhaltend" noch "unmittelbar" definiert. In
einem erst kürzlich durchgesickerten Weißbuch des Justizministeriums steht,
dass ein US-Bürger auch dann getötet werden kann, wenn es "keine klaren
Beweise dafür gibt, dass ein spezieller Angriff auf US-Amerikaner oder
US-Interessen unmittelbar bevor steht".
3. Es muss "nahezu Gewissheit" herrschen,
dass der Terrorist, auf den der Angriff zielt, tatsächlich anwesend ist. Weder
aus dem Merkblatt noch aus Obamas Rede war zu entnehmen, ob die Regierung ihre
als "Signature Strikes" getarnten Massentötungen fortsetzen wird;
bisher wurden auch unbekannte Personen nur deshalb umgebracht, weil sie sich in
Gebieten, aufhielten in denen es zu feindlichen Aktivitäten gekommen war.
4. Es muss "nahezu Gewissheit" herrschen,
dass bei dem Drohnen-Angriff Nichtkombattanten weder verletzt noch getötet
werden können. Das bedeutet anscheinend eine Abkehr von der bisherigen Praxis,
die zur Folge hatte, dass bei US-Drohnen-Angriffen zahlreiche Nichtkombattanten
getötet wurden. Das Merkblatt verändert also die gegenwärtige Politik, die alle
Männer im wehrfähigen Alter, die sich in einer Kampfzone aufhielten,
automatisch als Kämpfer ansah, "es sei denn, sie erwiesen sich bei gründlicher
geheimdienstlicher Überprüfung posthum als unschuldig".
5. Es muss erwiesen sein, dass zu der Zeit, in der
die Operation stattfinden soll, "eine Festnahme nicht machbar ist".
Es bleibt aber unklar was mit "machbar" gemeint ist. Das Weißbuch
lässt vermuten, das damit "zu umständlich" gemeint ist.
6. Es muss erwiesen sein, dass maßgebliche
Regierungsstellen des Staates, in dem der Drohnen-Angriff stattfinden soll,
nicht bereit oder nicht fähig sind, "die gegen US-Amerikaner gerichtete
Bedrohung" zu beseitigen; die Bedrohung wird aber nicht definiert.
7. Es muss erwiesen sein, dass keine andere,
angemessene Alternative zur Verfügung steht, um die "gegen US-Amerikaner
gerichtete – wieder nicht definierte – Bedrohung"abzustellen. Nach dem
Merkblatt müssen diese Voraussetzungen nicht erfüllt sein, wenn der Präsident
"unter außergewöhnlichen Umständen Drohnen-Angriffe anordnet, die legitim
und notwendig sind, um die USA oder ihre Verbündeten zu schützen". Was
unter "außergewöhnlichen Umständen" zu verstehen ist, bleibt offen.“
Beweismittel hierzu: Abdruck des Beitrages vom
Majorie Cohn
II. Die Konsequenzen aus den
völkerrechtlichen Regelungen und dem Friedensgebot des GG
Das Grundgesetz enthält nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichtes ein Friedensgebot, wie es Deiseroth gewürdigt hat,
der auf die Präambel („dem Frieden der Welt zu dienen“) verweist, Art. 1 Abs. 2
GG, dem Bekenntnis zu einer menschlichen Gemeinschaft („Grundlage jeder
menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“),
Art. 9 Abs. 2 GG, wonach Vereinigungen verboten sind, die sich „gegen den
Gedanken der Völkerverständigung richten“ sowie Art. 26 GG mit den vier
speziellen Regelungen:
• das Verbot, die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten,
• das Verbot aller Handlungen die in der Absicht vorgenommen werden das
friedliche Zusammenleben der Völker zu stören,
• den Auftrag an den Gesetzgeber zur Pönalisierung aller Verstöße gegen dieses
verfassungsrechtliche Verdikt,
• die Genehmigungspflicht von „zur Kriegsführung bestimmten Waffen“.
Ein besonders wichtiges Element des Friedensgebotes
des GG ist die normierte Bindung an „Recht und Gesetz“ (Art. 20 Abs. 3 GG) und
an die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ (Art. 25 GG), so Deiseroth in
seiner Schrift „Das Friedensgebot des Grundgesetzes und der UN-Charta“.
Aus diesen verbindlichen völkerrechtlichen
Regelungen und dem Friedensgebot des GG ergeben sich Konsequenzen für die
völkerrechtliche Bewertung der US-Kampfdrohneneinsätze und die Verpflichtungen
der Organe der Bundesrepublik Deutschland:
1. Keine Rechtfertigung
gezielter Tötungen als „humanitäre Intervention“ oder Ausübung des
Selbstverteidigungsrechts
Das Selbstverteidigungsrecht von Art. 52 setzt
insbesondere voraus:
• Einen bewaffneter Angriff („armed attack“)
• Es muss sich um eine vorläufige Maßnahme handeln: Wenn der Sicherheitsrat
sich der Sache angenommen und Maßnahmen beschlossen hat, erlischt das
Selbstverteidigungsrecht (Art. 51 Abs. 1 Satz 1 UN-Charta).
In der öffentlichen Debatte wird in dem Zusammenhang
oft auf die „responsability to protect“ (RTP) verwiesen, die angeblich eine
Ausnahme von den zwingenden Voraussetzungen für die Ausübung des
Selbstverteidigungsrechts sein soll. Dies ist jedoch eindeutig falsch. Zwar hat
die UN-Generalversammlung im September 2005 auf dem Wolrd Summit die
„responsability to protect“ bestätigt. Die Generalversammlung machte jedoch
deutlich, dass nur die Vereinten Nationen als Vertreter der internationalen
Gemeinschaft die responsability to protect übernehmen könnten, wie dies auch in
der zugrunde liegenden Expertise ausgeführt worden war. Die Vereinten Nationen
können also in Fällen von Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen
und Verbrechen gegen die Menschlichkeit Maßnahmen nach Kapitel VII autorisieren
. Auch die einseitige “humanitäre Intervention” auf der Grundlage der PTP
bleibt also völkerrechtswidrig.
Insgesamt widersprechen die US-Kampfdrohneneinsätze
auch den Grundlagen des humanitären Völkerrechts: Völkerrechtlich gilt jede
Person in einem Kampfgebiet als Zivilist, wie sich aus Art. 50 des
Zusatzprotokolls vom 8. Juli 1977 zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949
über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte ergibt – und
nicht umgekehrt.
Besondere Bedeutung erlangt das angesichts der
Tatsache, dass die US-Regierung nicht nur sogenannte „personality strikes“
ausführen lässt, bei denen Menschen gezielt extralegal hingerichtet werden, die
in – nach aktuell unüberprüfbaren Kriterien zustande gekommenen – Todeslisten
aufgenommen wurden; schon bei diesen Angriffen werden immer wieder Unbeteiligte
getötet oder schwer verletzt. Zunehmend werden mit Kampfdrohnen aber auch
sogenannte „signature strikes“ durchgeführt: Diese Angriffe basieren auf
Verhaltensanalysen der (späteren) Zielpersonen. Das bedeutet, dass Menschen –
insbesondere Menschengruppen –, die bestimmte Eigenschaften aufweisen oder
Verhaltensmuster an den Tag legen, die nach Einschätzung der US-Kräfte darauf
schließen lassen, sie könnten Terrorverdächtige sein, zum Ziel von
Drohnenangriffen werden, ohne dass auch nur ihre Identität bekannt ist ; als
geeignete Ziele gelten Personen in mutmaßlichen Trainingscamps oder in
verdächtig erscheinenden Gehöften (sog. Compounds). Die zugrunde gelegten
Einsatzregeln bleiben ebenso im Dunkeln wie die Kriterien, auf die bei diesen
Attacken abgestellt werden soll. Als im beschriebenen Sinn „verdächtig“
eingeschätzt wird es anscheinend schon, wenn Menschen in Regionen, in denen
Kampfdrohnen eingesetzt werden, in Gruppen zusammen kommen, Fahrzeuge mit
Düngemitteln be- und entladen oder gemeinsam auf Grundstücken arbeiten. In
einem Bericht der New York Times-Journalisten Jo Becker und Scott Shane werden
US-Regierungsmitarbeiter zititert: „The joke was that when the C.I.A. sees
three guys doing jumping jacks, the agency thinks it is a terrorist training
camp.“
2. Keine Rechtfertigung
gezielter Tötungen durch Drohneneinsätze im Rahmen des OEF-Einsatzes
Die US-Regierung hatte die Anschläge vom 11.
September 2001 als Angriff im Sinne des Art. 51 der UN-Charta interpretiert und
deswegen den Staat Afghanistan angegriffen, weil dort Osama Bin Laden als
Drahtzieher des Attentats vermutet wurde.
Dazu schreibt Peter Becker in seinem einschlägigen
Artikel „Rechtsprobleme des Einsatzes von Drohnen zur Tötung von Menschen“:
„Der Sicherheitsrat hat sich die
Selbstverteidigungsthese nicht zu Eigen gemacht. Er hat offen gelassen, ob
deren Voraussetzungen nach seiner Auffassung im konkreten Fall erfüllt war. Vor
allem hat es keinen bewaffneten Angriff im Sinne des Art. 51 Satz 1 der Charta
gegeben. Außerdem hatte der Sicherheitsrat bereits im September und im Oktober
2001 ein umfangreiches Paket aus seiner Sicht notwendiger militärischer
Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus beschlossen, insbesondere die
Ergreifung und Verfolgung der Täter.
Deswegen war das Selbstverteidigungsrecht
erloschen. Hier liegt der Grund für die zurückhaltende Formulierung des
Bundesverfassungsgerichtes im Tornado-Beschluss vom 03.07.2007: „2. der
ISAF-Einsatz in Afghanistan ist ein Krisenreaktionseinsatz der NATO im Sinne
des neuen Strategischen Konzepts von 1999. Zwar hat der NATO-Rat am 12.
September 2001 in Reaktion auf die Terroranschläge gegen die Vereinigten
Staaten von Amerika vom Vortag erstmals in der Geschichte der NATO den
Bündnisfall nach Art. 5 des NATO-Vertrages festgestellt. Rechtlich muss aber
der ISAF-Einsatz strikt getrennt betrachtet werden von der ebenfalls in
Afghanistan präsenten Operation Enduring Freedom, die sich völkerrechtlich auf
die Feststellung des Bündnisfalls und vor allem auf die das Recht zur
kollektiven Selbstverteidigung im Sinne von Art. 51 der Satzung der Vereinten
Nationen beruft (vgl. BTDrucks 14/7296, S. 1 f.)…
Die militärische Intervention der Operation
Enduring Freedom gegen das afghanische Taliban-Regime seit Oktober 2001 war
eine Reaktion der Vereinigten Staaten von Amerika und verbündeten Staaten auf
diese Anschläge, in der Annahme, dass das Terrornetzwerk Al-Qaida als Urheber
der Anschläge in Afghanistan einen wesentlichen Rückzugsraum gehabt hatte,
teilweise von afghanischem Boden aus operiert hatte und vom Taliban-Regime
unterstützt worden war. Deshalb hat sich die Operation Enduring Freedom für die
Anwendung militärischer Gewalt in Afghanistan in völkerrechtlicher Hinsicht
stets auf das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung im Sinne von Art. 51 der
Satzung der Vereinten Nationen berufen.“
Das Bundesverfassungsgericht identifiziert sich
offensichtlich nicht mit der US-amerikanischen Rechtsauffassung zur
völkerrechtlichen Begründung von OEF. Das ist im Bundesverteidigungsministerium
wohl erkannt worden. Kurz danach zog sich jedenfalls die Bundeswehr aus OEF
zurück; wahrscheinlich auf der Grundlage der Einschätzung, dass die
Rechtsgrundlage Selbstverteidigung für diesen Verstoß gegen das Gewaltverbot
nicht tragfähig war.
Das Ergebnis ist, dass OEF wahrscheinlich von
Anfang an völkerrechtswidrig war und dass jedenfalls nach der Befassung des
Sicherheitsrates und dem Beschluss, die Attentäter mit den Mitteln des
Strafrechts zu verfolgen, eine völkerrechtlich tragfähige Ermächtigung zur
Kriegsführung nicht mehr vorlag. Das bedeutet für Tötungen durch Drohnen im
Rahmen von OEF, dass alle Einsätze schon deswegen rechtswidrig sind.“
3. Keine Rechtfertigung gezielter Tötungen durch Drohneneinsätze in Pakistan
Bekanntlich werden insbesondere in Pakistan im
„Krieg gegen den internationalen Terrorismus“ Kampfdrohnen eingesetzt (siehe
oben), aber nicht des US-Militärs sondern des CIA, wie oben dargelegt. Auch
wenn sich in Pakistan Teile der Taliban aufhalten, handelt es sich dort nicht
um einen internationalen bewaffneten Konflikt im Sinne des Völkerrechts. Wie
bereits oben im Sachverhalt dargelegt, ist dies auch der Standpunkt des
zuständigen pakistanischen Obergerichts.
Die CIA ist als Geheimdienst kein Kombattant. Sie
darf schon deswegen nicht töten. Eine „Lizenz zum Töten“ ist dem Völkerrecht
fremd.
4. Keine Rechtfertigung
gezielter Tötungen durch Drohneneinsätze in Jemen und afrikanischen Ländern
Genauso völkerrechtswidrig sind Kampfdrohneneinsätze
im Jemen und afrikanischen Ländern. Dort handelt es sich nicht um einen
internationalen bewaffneten Konflikt. Schon aus diesem Grunde sind dort
„gezielte Tötungen“ völkerrechtlich nicht gedeckt.
5. Mögliche Rechtfertigung
„gezielter Tötungen“ durch Drohneneinsätze nur im Rahmen des ISAF-Einsatzes in
Afghanistan gegen Kombattanten unter Beachtung der Regeln des
Kriegsvölkerrechts („ius in bello“)
Hierzu wieder Becker:
„Anders muss der ISAF-Einsatz behandelt werden, an
dem Deutschland beteiligt ist. Er hat eine völkerrechtlich tragfähige
Ermächtigung, weil der Sicherheitsrat, beginnend mit der Resolution 1386
(2001), die Ermächtigung zur Ausübung militärischer Gewalt erteilt hat. Der
Deutsche Bundestag hat diese Resolution, ab 2005 auf der Basis des Parlamentsbeteiligungsgesetzes,
dahingehend umgesetzt, dass auch deutsche Soldaten auf dieser Basis
militärische Gewalt ausüben dürfen.
a) Die Kriterien für den Einsatz von Kampfdrohnen
Sehr fraglich ist aber, ob in diesem Zusammenhang
Kampfdrohnen eingesetzt werden können.
Kritisch wird es, wenn die Zielidentifizierung
zweifelhaft ist und möglicherweise Zivilisten getroffen werden. Maßgeblich ist
das Zusatzprotokoll II zum Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz
der Opfer nichtinternationaler bewaffneter Konflikte vom 08.06.1977 (ZP II).
Danach ist zunächst zu fragen, ob ein „nichtinternationaler bewaffneter
Konflikt“ vorliegt; im Gegensatz zum „internationalen bewaffneten Konflikt“.
Für einen internationalen Konflikt ist entscheidend, dass „zwei Völkerrechtssubjekte
(d.h. Staaten) gegeneinander kämpfen“. Das ist in Afghanistan nicht der Fall,
da die Taliban als eine der Konfliktparteien keine völkerrechtliche
Anerkennung, auch nicht in Form eines De-Facto-Regimes, genießen. Davon geht
auch die Bundesregierung aus. Während also im internationalen bewaffneten
Konflikt Kombattanten, erkennbar an ihrer Uniform, töten und getötet werden
dürfen, muss man im nichtinternationalen bewaffneten Konflikt genauer
hinschauen. Denn gewohnheitsrechtlich gelten möglicherweise Beteiligte nur „im
Zweifel“ als Zivilpersonen.
Die tatsächliche Lage in Afghanistan ist aber
schwieriger. Mit Safferling muss geklärt werden, ob Beteiligte „de
facto-Kombattanten“ sind. Dafür ist Art. 13 ZP II maßgeblich. Nach Art. 13 Abs.
2 ZP II dürfen Zivilpersonen nicht das Ziel von Angriffen sein. Gemäß Art. 13
Abs. 2 ZP II dürfen Zivilpersonen nur ausnahmsweise getötet werden, „sofern und
solange sie unmittelbar an den Kampfhandlungen teilnehmen“. Sie müssen dafür in
eine organisierte bewaffnete Oppositionsgruppe integriert sein und eine
„continuous combat function“ausüben. .
Es ist völlig unbekannt, wie die US-Armee und der
CIA mit diesen Kriterien umgehen. Es müssten mehrere Prüfungsschritte beachtet
werden, für die Anleihen beim Recht des internationalen bewaffneten Konflikts
in ZP I hilfreich sind:
Erstens muss geklärt werden, ob die Zielperson
überhaupt ein Kombattant ist. Nicht nur der bewaffnete Kämpfer ist das. Auch
der „Schreibtischtäter“ kann Mitglied der Konfliktpartei sein. Denn auch
Generäle der Staatsstreitkräfte sind Kombattanten,auch wenn sie nur am
Schreibtisch Strategien ausarbeiten. Maßgeblich für das Vorliegen einer
„continuous combat function“ ist also allein, ob die fragliche Person eine
Tätigkeit ausübt, die der Durchführung von Feindseeligkeiten im Namen der
nichtstaatlichen Konfliktpartei gegen die staatliche Konfliktpartei dient.
Nimmt sie nicht direkt an Feindseeligkeiten teil, darf sie auch nicht
angegriffen werden. Für den internationalen bewaffneten Konflikt schreibt Art.
44 Abs. 3 ZP I vor, dass die Konfliktparteien ihre Kombattanten kennzeichnen
müssen, um sie äußerlich von der Zivilbevölkerung zu unterscheiden.
Zweitens: Eine weitere „Kennzeichnung“ nach dem
Recht des internationallen bewaffneten Konflikts wäre das Tragen von Waffen.
Schon die Haager Landkriegsordnung (HLKO) gesteht Aufstandsgruppen den
Kombattantenstatus zu, wenn sie nämlich gegen eine anrückende feindliche
Invasionsarmee als sogenannte levèe en masse zu den Waffen greifen, um sich zu
verteidigen. Art. 2 HLKO verlangt in diesem Fall lediglich „offenes Führen“ der
Waffen und die Beachtung der „Gesetze und Gebräuche des Krieges“.
In der Genfer Konvention wurde diese Bestimmung um
Guerilla-Kämpfer erweitert. Zivilpersonen, die während bewaffneter Auseinandersetzungen,
eines Krieges oder eines nationalen Befreiungskampfes zu den Waffen greifen,
gelten als Kombattanten, wenn sie ihre Waffen offen tragen, solange sie für den
Gegner sichtbar sind.
Das bedeutet für Drohnen: Angriffe auf zivile
Objekte – Wohnhäuser, zivile Pkw – müssen unterlassen werden; sie sind keine
„militärischen Objekte“. Bei ihnen ist wahrscheinlich, dass Zivilpersonen
getötet werden, die nach ZP I und II geschützt sind.“
6. Zwischenergebnis:
Zusammenfassend ist also festzustellen, dass eine
völkerrechtlich tragfähige Ermächtigung zur „gezielten Tötung“ mittels
Kampfdrohnen allenfalls im Rahmen des ISAF-Einsatzes in Afghanistan angenommen
werden kann, aber nur wenn und soweit das ius in bello beachtet werden.
D. Tatverdacht nach dem StGB
und VStGB
Die Unterstützung der Drohnenangriffe durch den
Bundesminister der Verteidigung und andere Mitglieder der Bundesregierung
verwirklicht mehrere Straftatbestände nach dem StGB und dem VStGB, wie im
einzelenen aufgezeigt werden wird.
I. Mord
Die Beschuldigten haben sich gemäß §§ 211, 13 StGB
wegen Beihilfe zu einem Mord durch Unterlassen strafbar gemacht, indem sie die
aufgezeigten Unterstützungshandlungen der ihnen unterstellten deutschen
Streitkräfte nicht verhindert haben.
a) Taterfolg
Der Taterfolg der Tötung eines Menschen ist nicht
zweifelhaft, da durch die Drohnenangriffe zahlreiche Menschen getötet wurden,
wie im Sachverhalt im Einzelnen dargelegt (B). Ebenso unbestreitbar ist das
Mordmerkmal der Heimtücke erfüllt, weil sich die Opfer eines Angriffs auf ihr
Leben nicht versahen, ist dieser Umstand doch gerade der öffentlich
proklamierte Vorteil der „gezielten Tötungen“ mithilfe von Drohnen.
b) Unterlassen
Die Beschuldigten haben es unterlassen, diesen
Taterfolg abzuwenden.
Sowohl der Bundesminister der Verteidigung als auch die Bundesregierung als
Kollegialorgan haben es unterlassen, den Vereinigten Staaten vom Amerika zu
untersagen, von deutschem Hoheitsgebiet aus die strategische Planung und
technische Unterstützung der Drohnenangriffe vorzunehmen.
Dieses Unterlassen ist kausal für alle Drohnenangriffe, die im United States
Africa Command in Stuttgart strategisch geplant wurden oder bei denen die
Drohnen über das Satellitenrelais in Ramstein gesteuert wurden. Hätten die
Beschuldigten es den USA untersagt, die auf deutschem Hoheitsgebiet gelegenen
Militäreinrichtungen zu benutzen – wozu sie aufgrund des geltenden Völkerrechts
und des Friedensgebotes des Grundgesetzes verpflichtet gewesen wären (s. o.
Teil C), hätten diese den jeweiligen Drohnenangriff zu dem konkreten Zeitpunkt
und an dem konkreten Ort nicht durchführen können. Das Unterlassen ist daher
für die Tötung der Opfer der Drohnenangriffe kausal, da bei einem Handeln der
Beschuldigten der Taterfolg in seiner konkreten Gestalt entfallen wäre. Die
Frage, ob die Streitkräfte der USA zu einem späteren Zeitpunkt unter Nutzung
alternativer Ressourcen außerhalb Deutschlands die verhinderten Drohnenangriffe
nachgeholt hätten, ist für die Kausalität nicht relevant, da dies den Taterfolg
in seiner konkreten Gestalt nicht entfallen ließe und hypothetische
Ersatzursachen nicht relevant sind.
Bei einer Untersagung der Nutzung der Einrichtungen
für Drohnenangriffe durch den Bundesminister der Verteidigung oder durch die
Bundesregierung hätten die Vereinigten Staaten ihre Einrichtungen in Stuttgart
und Ramstein nicht für die Drohnenangriffe nutzen können. Dies folgt aus der
Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und der Zuständigkeit der
Bundesregierung für die Durchsetzung der Hoheitsgewalt gegenüber auf ihrem
Territorium stationierten ausländischen Truppen. Der Stationierungsvertrag
steht dem nicht entgegen, da er völkerrechtskonform auszulegen ist und weder
ein Recht der Vereinigten Staaten von Amerika auf die Begehung
völkerrechtswidriger Handlungen von deutschem Boden noch eine Pflicht der
Bundesrepublik Deutschland begründet, derartige Handlungen zu dulden.
Auch die Anweisung an die dem Bundesminister der
Verteidigung unterstellten deutschen Verbindungsbeamten bei den Einrichtungen
der US-Streitkräfte in Stuttgart und Ramstein, jegliche Zusammenarbeit und
Unterstützung einzustellen, hätte wegen der Abhängigkeit der US-Streitkräfte
von dieser Zusammenarbeit dazu geführt, dass der jeweilige Drohnenangriff zu
dem konkreten Zeitpunkt und an dem konkreten Ort nicht hätte durchgeführt
werden können. Das Unterlassen dieser Anweisung ist daher ebenfalls kausal für
die Tötung der bei den Drohnenangriffen getöteten Menschen.
c) Garantenstellung
Die Beschuldigten hatten i.S.d. § 13 I StGB
rechtlich dafür einzustehen, dass der Taterfolg der Tötung von Menschen nicht
eintrat.
Dies ergibt sich aus der besonderen Pflichtenstellung, die die Beschuldigten
als Bundesminister der Verteidigung, als Angehörige der Bundeswehr und als
Mitglieder der Bundesregierung als Kollegialorgan innehaben, und die darin
besteht, innerhalb ihres Einflussbereichs militärische Aggressionen, die von
deutschem Hoheitsgebiet ausgehen, zu verhindern, wie in Teil C ausgeführt
wurde. Dass militärische Vorgesetzte eine Garantenstellung zur Verhinderung von
Straftaten ihrer Mannschaften haben, ist in der allgemeinen deutschen
Strafrechtsdoktrin nicht bestritten. Militärischer Vorgesetzter ist in diesem
Zusammenhang auch der Bundesminister der Verteidigung in seiner Eigenschaft als
oberster Befehlshaber.
d) Entsprechensklausel
Das Unterlassen entspricht hier wie regelmäßig bei
einem Erfolgsdelikt wie der vorsätzlichen Tötung der Verwirklichung durch
positives Tun.
In der deutschen Strafrechtsdogmatik ist umstritten, ob und wann die
Nichtverhinderung strafbarer Handlungen, die durch positives Tun begangen
worden sind, als täterschaftliche Begehung durch Unterlassen oder als bloße
Beihilfe zu qualifizieren ist. Dieser Streit ist im Rahmen des
Ermittlungsverfahrens vor Abfassung der Anklageschrift nicht zu entscheiden, da
die Strafbarkeit selbst nicht in Frage steht und in jedem Fall Ermittlungen
aufzunehmen sind.
Wird nicht wie oben dargelegt von einer
täterschaftlichen Begehung durch Unterlassen, sondern von Beihilfe durch
Unterlassen ausgegangen, ist das Unterlassen der oben dargelegten Erklärungen
als objektive Förderung der von den Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte
begangenen vorsätzlichen, rechtswidrigen Tötungsdelikte und damit als Beihilfe
durch Unterlassen zu einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat anzusehen.
Die von den US-Streitkräften mit den Drohnenangriffen begangenen Tötungen sind
rechtswidrig. Eine Rechtfertigung dieser Taten, weil die Taten im Rahmen eines
bewaffneten Konflikts begangen wurden, würde voraussetzen, dass die Taten im
Einklang mit dem Kriegsvölkerrecht begangen wurden. Oben in Teil C wurde
dargelegt, dass in den meisten Fällen die Drohnenangriffe nicht im Rahmen eines
bewaffneten Konflikts erfolgten. In all diesen Fällen ist von vornherein eine
Rechtfertigung ausgeschlossen. In den Fällen, in denen die Drohnenangriffe im
Rahmen eines bewaffneten Konflikts erfolgten, stehen diese wie oben dargelegt
überwiegend nicht im Einklang mit dem Völkerrecht, so dass sie im Ergebnis
ebenfalls rechtswidrig sind.
e) Objektive Zurechung
Der durch die Unterlassungen verursachte Taterfolg
ist den Beschuldigten objektiv zuzurechen, da durch das Verhalten der
Beschuldigten eine rechtlich missbilligte Gefahr für das verletzte Rechtsgut
geschaffen wurde und gerade diese Gefahr sich im tatbestandsmäßigen Erfolg
verwirklicht hat.
2. Subjektiver Tatbestand
Die Beschuldigten handelten vorsätzlich in Bezug
auf alle Merkmale des objektiven Tatbestands.
Für den erforderlichen Vorsatz genügt bedingter
Vorsatz, der die wesentlichen Merkmale des vom Täter zu verwirklichenden
strafbaren Tuns umfasst; Einzelheiten der Tat braucht der Gehilfe im Sinne von
§ 27 StGB nicht zu kennen; insbesondere braucht er nicht zu wissen, wann, wo,
gegenüber wem und unter welchen besonderen Umständen die Tat ausgeführt wird.
Auch braucht er von der Person des Täters keine besondere Kenntnis. Der Vorsatz
bei der Beihilfe wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Gehilfe dem Täter
gegenüber erklärt, er missbillige das mit seiner Unterstützung durchgeführte
Unternehmen und überlasse dem Täter allein die Verantwortung.
Für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens
reichen nach allgemeiner Ansicht sogar zureichende tatsächliche Anhaltspunkte
für die Erfüllung eines Straftatbestandes. Es reicht eine gewisse, noch geringe
Wahrscheinlichkeit eines Tatverdachts, der noch der Aufklärung bedarf, aus.
Selbst geringe, dürftige und noch ungeprüfte Anzeichen lösen die
Ermittlungspflicht aus, sofern sie nicht von vornherein als inhaltslos
angesehen werden können. In diesem Stadium des Verfahrens darf sogar der
Zweifel an der Richtigkeit des Verdachts noch überwiegen. Die
Staatsanwaltschaft genügt ihrer Pflicht nur, wenn sie allen möglichen, nicht
von vornherein unglaubwürdigen Verdachtsgründen nachgeht.
Der erforderliche Anfangsverdacht für eine
Unterlassung bzw. für eine Beihilfe im Sinne von § 27 zu den Tötungsverbrechen
ist daher gegeben, ein Ermittlungsverfahren daher einzuleiten. Auch für die
Unterstützungswillen eines mehr als bedingten Vorsatzes sind ausreichende
tatsächliche Anhaltspunkte ausgeführt. Inwieweit hier die Verantwortlichen
vorsätzlich handeln, werden ihre Einlassungen im Rahmen des weiteren
Ermittlungsverfahrens zeigen.
3. Rechtswidrigkeit
Die Beschuldigten haben dabei rechtswidrig
gehandelt.
Das Unterlassen der Verhinderung der – wie oben dargelegt – rechtswidrigen
Tötungsverbrechen der Angehörigen der US-Streitkräfte ist seinerseits
rechtswidrig. Ein Rechtfertigungsgrund ist nicht ersichtlich.
4. Schuld
Die Beschuldigten haben schuldhaft gehandelt, da
Schuldausschließungsgründe nicht ersichtlich sind.
5. Anwendbarkeit des
deutschen Strafrechts
Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts ist
nicht zweifelhaft.
Gemäß § 3 StGB gilt das deutsche Strafrecht für Taten, die im Inland begangen
wurden.
Begangen wurde die Tat gemäß § 9 I StGB an jedem Ort, an dem der Täter im Falle
des Unterlassens hätte handeln müssen. Der Bundesminister der Verteidigung
hätte an dem Ort, an dem er sich befindet, die Anweisungen verfügen und dafür
sorgen müssen, dass diese durch Boten oder durch Telkommunikation an den
Adressaten gelangen. Dies wäre auf deutschem Hoheitsgebiet gewesen.
Wird das Verhalten der Beschuldigten unter Beihilfe
subsumiert, ergibt sich nichts anderes. Gemäß § 9 II 1 StGB ist die Beihilfe
auch an dem Ort begangen, an dem die Haupttat begangen ist. Die Angehörigen der
US-Streitkräfte als Haupttäter haben in den Militäreinrichtungen in Stuttgart
und Ramstein gehandelt, um die Drohneangriffe durchzuführen. Sie haben damit im
Inland gehandelt, so dass auch nach dieser Vorschrift deutsches Strafrecht
anwendbar ist.
6. Immunität
Soweit die Beschuldigten dem Bundestag angehören,
genießen sie nach Art. 46 II-IV GG parlamentarische Immunität. Sie können daher
gemäß Art. 46 II GG wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung nur mit
Genehmigung Bundestags zur Verantwortung gezogen werden, es sei denn, dass sie
bei der Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen werden.
Nach allgemeiner Auffassung stellen Ermittlungen, die der Feststellung dienen,
ob die Verfolgungsgenehmigung einzuholen ist, kein „Zur-Verantwortung-Ziehen“
im Sinne dieser Vorschrift dar. Sie sind mit Art. 46 II-IV vereinbar (Sachs,
GG, Art. 46 Rn. 15).
Die Bundesanwaltschaft ist daher verpflichtet, angesichts des vorliegenden
Tatverdachts die Verfolgungsgenehmigung zu beantragen und nach Erteilung dieser
weitere prozessuale Schritte vorzunehmen.
II. Kriegsverbrechen gegen
Personen
Die Beschuldigten haben sich gemäß § 8 I 1 Nr. 1
VStGB i. V. m. § 4 I VStGB strafbar gemacht, indem sie es als militärische
Befehlshaber unterlassen haben, die ihnen untergebenen Bundeswehrangehörigen
daran zu hindern, zur Tötung von Menschen im Rahmen eines systematischen
Angriffs gegen die Zivilbevölkerung Hilfe zu leisten.
1. Objektiver Tatbestand
a) Zusammenhang mit einem
bewaffneten Konflikt
Der Tatbestand dieses Strafgesetzes setzt den
Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten
Konflikt voraus. Dies trifft, wie oben dargelegt wurde, nur auf einen geringen
Teil der Drohneneinsätze zu.
Dort, wo ein solcher Zusammenhang nicht besteht, verbleibt es bei der
Strafbarkeit wegen Mordes. Der Tatverdacht wegen Mordes wurde oben ausführlich
dargelegt. Der Tatverdacht ist in diesen Fällen besonders eindeutig, da ein
Rechtfertigungsgrund ohne Zusammenhang mit einem bewaffneten Konflikt nicht
ernsthaft in Betracht kommen kann.
In den übrigen Fällen, in denen ein Zusammenhang mit einem bewaffneten
internationalen Konflikt vorliegt, gelten die nachstehenden Ausführungen.
b) Tatobjekt
Ob die Opfer „nach dem humanitären Völkerrecht zu
schützende Personen sind“ bestimmt sich nach § 8 VI VStGB. Nach § 8 VI Nr. 1
VStGB sind hierunter bei einem bewaffneten internationalen Konflikt alle
geschützten Personen im Sinne der Genfer Abkommen und des Zusatzprotokolls I
(ZusProt I) zu verstehen. Zu diesem Kreis gehören namentlich alle
Zivilpersonen. Zivilpersonen sind gemäß Art. 50 ZusProt I alle Personen, die
keiner der in Art. 4 lit. A Abs. 1, 2 und 3 des III. Genfer Abkommens und in
Art. 43 ZusProt I bezeichneten Kategorien angehören. Die Menschen, auf die die
Drohneneinsätze zielten, waren nicht Mitglieder von Streitkräften (Art. 4 lit.
A Abs. 1, 3 des III. Genfer Abkommens, Art. 43 ZusProt 1). Sie waren auch nicht
Mitglieder anderer Milizen und Freiwilligenkorps oder einer organisierten
Widerstandsbewegung mit militärischer Struktur (Art. 4 lit. A Abs. 2 des III.
Genfer Abkommens). Ebensowenig zählten sie zur Bevölkerung eines unbesetzten
Gebiets, die aus eigenem Antrieb zu den Waffen greift, um eindringende Truppen zu
bekämpfen, wie dies Art. 4 Abs. 6 des III. Genfer Abkommens voraussetzen würde.
Da bei der überwiegenden Zahl der bekannt gewordenen Drohnenangriffe die Opfer
nicht zu den genannten Kategorien gehörten, waren diese Zivilpersonen i. S. d.
Art. 50 I ZusProt I und damit auch des § 8 VI Nr. 1 VStGB. Sie waren damit
taugliche Tatobjekte eines Kriegsverbrechens nach § 8 VI Nr. 1 VStGB.
c) Taterfolg, Unterlassen,
Kausalität und objektive Zurechnung
Diese Personen wurden getötet. Indem die
Beschuldigten es unterlassen haben, den USA die Nutzung deutscher Einrichtungen
für Drohnenangriffe zu untersagen und die deutschen Verbindungsbeamten
anzuweisen, jegliche Zusammenarbeit und Unterstützung bei den Drohnenangriffen
einzustellen, haben sie den Tod dieser Personen in objektiv zuzurechnender
Weise verursacht. Auf die entsprechenden Ausführungen bei der Prüfung des
Mordtatbestands wird verwiesen.
d) Erweiterte strafrechtliche
Haftung gemäß § 4 VStGB
Darüber hinaus haftet der Bundesminister der
Verteidigung als militärischer Befehlshaber gemäß § 4 VStGB, weil er es
unterlassen hat, die ihm untergebenen Bundeswehrangehörigen daran zu hindern,
die Drohnenangriffe der US-Streitkräfte zu unterstützen und damit Beihilfe zu
Kriegsverbrechen gegen Personen zu leisten.
2. Subjektiver Tatbestand,
Rechtswidrigkeit, Schuld, Strafverfolgungsvoraussetzungen
Die Beschuldigten handelten vorsätzlich,
rechtswidrig und schuldhaft. Die Immunität steht auch hier der Strafverfolgung
nicht entgegen.
3. Anwendbarkeit des
deutschen Strafrechts
Auch hinsichtlich dieses Delikts ist deutsches
Strafrechtanwendbar.
Dies ergibt sich bereits aus § 1 VStGB. Nach dieser Vorschrift gilt das VStGB
für alle in ihm bezeichneten Verbrechen auch dann, wenn die Tat im Ausland
begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist. Die Taten der §§ 6-12
VStGB sind, soweit Milderung für minder schwere Fälle nicht berücksichtigt
werden, allesamt im Mindestmaß mit Freiheitsstrafen von einem Jahr oder darüber
bedroht und sind daher gemäß § 12 I, III StGB i. V. m. § 2 VStGB Verbrechen.
Für diese Taten ist folglich deutsches Strafrecht unabhängig davon anwendbar,
ob sie im Inland oder im Ausland begangen wurden.
Für das von den Beschuldigten begangene
Kriegsverbrechen gemäß § 8 I Nr. 1 VStGB ist folglich deutsches Strafrecht
anwendbar.
III. Kriegsverbrechen des
Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung
Die Beschuldigten haben wegen sich gemäß § 11 I 1
VStGB eines Kriegsverbrechens des Einsatzes verbotener Methoden der
Kriegsführung schuldig gemacht.
1. Objektiver Tatbestand
a) Zusammenhang mit einem
bewaffneten Konflikt
Auch für die Verwirklichung dieser Tatbestände wird
ein Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen
bewaffneten Konflikt vorausgesetzt. Wie oben (unter C). dargelegt, liegt diese
Voraussetzung bei einem Teil der Drohneangriffe vor.
b) Einzeltatbestände
Dabei sind die Tatbestandsalternativen des Angriffs
gegen unbeteiligte Zivilpersonen
(§ 11 I 1 Nr. 1 VStGB), des Angriffs gegen zivile Objekte (§ 11 I 1 Nr. 2
VStGB) und des Angriffs mit unverhältnismäßigen Auswirkungen auf Zivilpersonen
(§ 11 I 1 Nr. 3 VStGB) verwirklicht.
aa) Angriff gegen die
Zivilbevölkerung oder unbeteiligte Zivilpersonen
Wie im Rahmen der Prüfung des Kriegverbrechens
gegen Personen ausgeführt wurde, waren die durch die Drohnen anvisierten
Personen zu einem großen Teil unbeteiligte Zivilpersonen. Diese haben auch
nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilgenommen.
Die Drohnenangriffe stellen auch gegen diese Personen gerichtete Angriffe mit
militärischen Mitteln dar.
Unter Angriff ist im humanitären Völkerrecht
„sowohl eine offensive als auch eine defensive Gewaltanwendung gegen den
Gegner“ zu verstehen. Selbst wenn daher unterstellt würde, dass die
Drohneneinsätze sich gegen einen Gegner der USA in einem bewaffneten Konflikt
richten, wäre deshalb ein Angriff in diesem Sinne zu bejahen.
Die Drohnen sind als Waffen militärische Mittel.
Im Ergebnis liegt ein Angriff mit militärischen
Mitteln gegen unbewaffnete Zivilpersonen vor, so dass der objektive Tatbestand
des § 11 I 1 Nr. 1 VStGB verwirklicht ist.
bb) Angriff gegen zivile
Objekte
Zivile Objektive sind gemäß § 11 I 1 Nr. 2 VStGB
auch unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten und Gebäude. Nach Art. 25 der
Haager Landkriegsordnung ist es untersagt, solche Objekte anzugreifen oder zu
beschießen, mit welchen Mitteln auch immer.
Wie oben dargelegt, wurden Personen durch Drohnen in unverteidigten Siedlungen
und Gebäuden angegriffen, auch wenn die „gezielten Tötungen“ sich nach
Darstellung der USA gegen nichtzivile Personen oder Kombattanten richteten und
im Einzelfall auch Kombattanten unter den Getöteten gewesen sein sollten. .
Somit liegt auch ein Angriff mit militärischen
Mitteln gegen durch das humanitäre Völkerrecht geschützte zivile Objekte vor,
so dass auch der objektive Tatbestand des § 11 I 1 Nr. 2 VStGB verwirklicht
ist.
cc) Angriff mit
unverhältnismäßigen Auswirkungen auf zivile Personen und Objekte
Zugleich liegt auch ein Angriff mit
unverhältnismäßigen Auswirkungen auf zivile Personen und Objekte i. S. d. § 11 I
Nr. 3 VStGB vor.
Dies gilt selbst dann, wenn angenommen würde, dass die eigentlich mit dem
Drohnenangriff anvisierte Person Angehöriger von Streitkräften oder Kombattant
wäre, wenn - wie dies bei vielen Fällen berichtet wurde – (s. o. Teil B und C)
-, eine Vielzahl unbeteiligter Zivilpersonen getötet wurde. Der bei der
Bestimmung der Unverhältnismäßigkeit relevante miltärische Vorteil der
Drohnenangriffe ist nicht erkennbar. Ein militärischer Nutzen müsste ohne das
Hinzutreten einer Zwischenursache greifbar sein. Ein bloß fern liegender
Vorteil, der irgendwann in unbestimmter Zukunft eintreten kann, überwiegt nach
der Wertung der Vorschrift gegenüber zivilen Verlusten nicht.
Wegen Fehlens eines unmittelbaren militärischen
Vorteils einerseits und der Vielzahl von Opfern andererseits ist der Angriff
folglich als unverhältnismäßig anzusehen.
2. Ergebnis
Im Hinblick auf Kausalität, objektive Zurechnung,
Zurechnung des Handelns der Untergebenen gemäß § 4 VStGB, Vorsatz,
Rechtswidrigkeit und Schuld wird auf die Ausführungen unter D II verwiesen.
Die Beschuldigten haben sich daher eines
Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung schuldig
gemacht.
IV. Verbrechen gegen die
Menschlichkeit
Die Beschuldigten haben sich gemäß § 7 I 1 Nr. 1
VStGB i. V. m. § 4 I VStGB strafbar gemacht, indem sie es als militärische
Befehlshaber unterlassen haben, die ihnen untergebenen Bundeswehrangehörigen
daran zu hindern, zur Tötung von Menschen im Rahmen eines systematischen
Angriffs gegen die Zivilbevölkerung Hilfe zu leisten.
Die Tötung der Menschen geschah im Rahmen eines
systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung. Ein Angriff liegt vor bei
jedem Gesamtvorgang, in den sich mehrere Einzeltaten einfügen müssen.
Angesichts der regelmäßig durchgeführten Drohnenangriffe ist ein solcher
Angriff anzunehmen. Dieser Angriff richtete sich auch gegen die
Zivilbevölkerung als ganzes und nicht lediglich gegen einzelne, zur
Zivilbevölkerung gehörende Einzelpersonen. Im Aufschlagfeld der Drohnen hielt
sich eine unbestimmte Zahl von Personen auf. Die Personen, die sich im
räumlichen Bereich aufhielten, in denen die Drohnen aufschlugen, gehörten zur
Zivilbevölkerung.
V. Nichtanzeige von
Verbrechen
Der Verwirklichung des Tatbestands der Nichtanzeige
von Verbrechen gemäß § 138 StGB steht entgegen, dass die Beschuldigten als
Beteiligte an den Verbrechen nicht anzeigepflichtig sind. Sollte jedoch
angenommen werden, dass die Beschuldigten sich nicht der Verwirklichung der
unter I-IV dargelegten Verbrechen schuldig gemacht haben, wären sie aber nach §
138 I Nr. 5 StGB strafbar, da sie es objektiv und vorsätzlich unterlassen
haben, der zuständigen Behörde oder den Bedrohten von dem Vorhaben des Mordes,
des Kriegsverbrechens und des Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu einer Zeit,
in der die Ausführung und der erfolg noch abgewendet werden konnten, Anzeige zu
machen
E. Ergebnis
Es bestehen in ausreichendem Umfang Anhaltspunkte
für ein strafbares Verhalten des Bundesministers der Verteidigung und der
anderen Mitglieder der Bundesregierung. Ein Anfangsverdacht des Mordes, des
Kriegsverbrechens gegen Personen, des Kriegsverbrechens des Einsatzes
verbotener Methoden der Kriegsführung, des Verbrechens gegen die Menschlichkeit
und der Nichtanzeige von Verbrechen ist zu bejahen.
Hochachtungsvoll
H.-Eberhard Schultz Claus Förster
Rechtsanwalt Rechtsanwalt