Tauziehen
in New York
Weiter Debatten über Syrien-Resolution im
UN-Sicherheitsrat
Rußland bietet Hilfe bei Zerstörung von Chemiewaffen an
Assad antwortet Obama über Telesur
von Rüdiger Göbel
In New York verhandeln derzeit Diplomaten der fünf
Vetomächte des UN-Sicherheitsrates über eine Syrien-Resolution. Offensichtlich
Vertreter westlicher Staaten streuten am Donnerstag Gerüchte, eine Einigung
stünde kurz bevor. So kolportierte die Nachrichtenagentur AFP, die ständigen
Sicherheitsratsmitglieder Rußland, China, USA, Frankreich und Großbritannien
hätten sich auf »Hauptpunkte« eines Resolutionsentwurfs verständigt. Ein
westlicher Diplomat habe der Agentur am Rande der UN-Generaldebatte erklärt,
daß in dem Papier die Möglichkeit von Strafmaßnahmen nach Kapitel VII der
UN-Charta erwähnt werde, also Militärangriffe für den Fall, daß Damaskus
Vereinbarungen über die Vernichtung seiner Chemiewaffenbestände nicht
nachkommt. Laut Süddeutsche.de herrschte »vorsichtiger Optimismus« unter den
Botschafter, möglicherweise könnte bereits an diesem Freitag über das Dokument
abgestimmt werden.
Das Dementi der russischen Delegation kam prompt. Die Debatte über »bestimmte
wesentliche Punkte« sei noch nicht abgeschossen. »Die angeblichen Berichte,
wonach die fünf Vetomächte des Sicherheitsrates sich auf den Kern einer
Syrien-Resolution geeinigt haben, stimmen nicht«, zitierte die Agentur Interfax
einen namentlich nicht genannten russischen Diplomaten. In der Delegation
Rußlands sei man »äußerst verwundert« über diese Informationen gewesen.
Moskau bot unterdessen an, bei der Zerstörung der syrischen Chemiewaffen zu
assistieren. »Rußland kann etwa bei der Sicherung der Kampfstoffarsenale
helfen«, erklärte der stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow am
Donnerstag laut Interfax. Außerdem könnten Experten die Zerstörung von Lagern
und Fabriken für C-Waffen kontrollieren. Ein solcher Einsatz hänge allerdings
von der Gesamtsituation in Syrien ab. »Der Prozeß wird sehr kompliziert.«
Gleichzeitig begrüßte er die Rückkehr von UN-Inspektoren nach Syrien. Die
Gruppe der Vereinten Nationen war am Mittwoch in Damaskus eingetroffen. Die
Experten sollen etwa ein Dutzend Fälle untersuchen, bei denen mutmaßlich
Giftgas eingesetzt wurde. »Wir erwarten ein ausgeglichenes Urteil«, sagte
Rjabkow. Sein Chef, Rußlands Außenminister Sergej Lawrow, erklärte in einem
Interview mit der Washington Post, das Nervengas Sarin, das im Frühjahr bei der
syrischen Stadt Aleppo eingesetzt worden ist, sei identisch mit dem am 21.
August bei Damaskus verwendeten. Die Untersuchungen russischer Experten hätten
ergeben, das bei Aleppo verwendete Sarin sei »primitiv« gewesen, also selbst
hergestellt. »Wir haben auch Belege dafür, daß das Sarin, das am 21. August bei
Damaskus eingesetzt wurde, identisch war, nur die Konzentration war höher«, so
Lawrow.
Syriens Präsident Baschar Al-Assad äußerte derweil im Interview mit dem
lateinamerikanischen TV-Sender Telesur die Befürchtung, Aufständische könnten
versuchen, den UN-Inspekteuren den Zugang zu den syrischen Chemiewaffendepots
zu versperren. Ungeachtet seiner Kooperationszusage sei ein US-Militärangriff
auf sein Land nicht auszuschließen, so Assad weiter, »sei es unter dem Vorwand
von Chemiewaffen oder unter einem anderen Vorwand«. Mit Blick auf die von
US-Präsident Barack Obama vorgebrachten Anschuldigungen vor der
Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York sagte der syrische
Staatschef, der aufgrund von Embargomaßnahmen nicht direkt vor der UNO sprechen
kann: »Diese Rede ist wie seine vorherigen Reden voller Behauptungen, die auf
Fälschungen basieren und viele Lügen beinhalten.« Die meisten Erklärungen der
Verantwortlichen der US-Regierung hätten nicht die »mindeste Glaubwürdigkeit«.
Einmal mehr kritisierte Assad die Unterstützung der Aufständischen durch das Ausland,
konkret nannte er Waffenlieferungen durch Saudi-Arabien.
Der Chef der exiloppositionellen »Nationalen Syrischen Koalition«, Ahmed
Al-Dscharba, brach nach der Abspaltung mehrerer islamistischer Kampfverbände
seine Werbetour in den USA ab. Er werde sofort nach Syrien reisen, um den Zwist
zu beenden, meldete der arabische Sender Al-Arabija am Donnerstag. 13 in der
Provinz Aleppo agierende Brigaden, darunter die berüchtigte Al-Nusra-Front,
hatten am Mittwoch der im türkischen Istanbul residierenden »Koalition«
jegliche Legitimation abgesprochen. Das Exilbündnis spreche nicht in ihrem
Namen und dürfe deshalb auch keine Verhandlungen mit Assad führen. Die
islamistischen Kampfgruppen bekräftigten, ein neues Syrien auf der Grundlage
der Scharia anzustreben.