Die Bundesregierung paktiert mit ukrainischen
Faschisten
German Foreign Policy am
21.2.2014
KIEW/BERLIN
(Eigener Bericht) - Die deutsche Außenpolitik
vollzieht eine Zäsur und öffnet sich erstmals für eine demonstrative
Kooperation mit Kräften der extremen Rechten. Am 20. Februar ist der Berliner
Außenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit dem ukrainischen
Faschistenführer Oleh Tiahnybok in den Räumen der deutschen Botschaft in Kiew
zusammengetroffen. Unmittelbar flankiert von Tiahnybok stellte Steinmeier sich
anschließend für die internationale Öffentlichkeit zu einem offiziellen
Presse-Shooting. Wie das Auswärtige Amt auf seiner eigenen Webseite mit einem
Bild bestätigt, nahm Tiahnybok, Vorsitzender der rechtsextremen Partei Swoboda,
an den mehrstündigen gemeinsamen Verhandlungen über den bewaffneten Umsturz in
der Ukraine mit zwei weiteren Oppositionsführern gleichberechtigt teil.
Bekannte Tatsachen
Vor dem jetzigen Verhandlungspartner der deutschen
Außenpolitik, dem antisemitischen Rassisten und NS-Wiedergänger Oleh Tiahnybok,
hat german-foreign-policy.com in zahlreichen Berichten wiederholt gewarnt.[1] Die
Inhalte sind kein Geheimwissen geblieben und wurden auch in anderen Medien
mehrmals vermerkt. Trotz der im Auswärtigen Amt bekannten Tatsachen über den
vermeintlichen Freiheitskampf der Anführer des bewaffneten Umsturzes hat sich
Berlin für einen Weg entschieden, der mit den Verhandlungen zwischen Steinmeier
und Tiahnybok sichtbar geworden ist. Zitate aus führenden deutschen Medien
zeigen, was Berlin wusste, als es diesen verhängnisvollen Weg des
Zusammenwirkens mit den Erben der NS-Kollobarateure, den Mördern an Millionen
Polen und Sowjetbürgern, an orthodoxen Russen und jüdischen Ukrainern
beschritt. (Das Foto zeigt Tiahnybok unmittelbar rechts neben Steinmeier.
Quelle: Reuters.)
"Moskaus jüdische Mafia"
Unter der Überschrift "Klitschkos rechte
Hand" schrieb beispielsweise die "Süddeutsche Zeitung" (München)
am 7. Februar 2014 über den Berliner Verhandlungspartner Tiahnybok:
"Parteichef Tjagnibok beklagte 2004 offen den Einfluss der 'jüdischen
Mafia Moskaus' auf sein Land. ... Das Simon-Wiesenthal-Zentrum setzte Tjagnibok
im Jahr 2012 auf den fünften Platz seiner Liste der schlimmsten Antisemiten
weltweit, der Jüdische Weltkongress bezeichnet seine Swoboda als neonazistisch
und stellt sie in eine Reihe mit der griechischen Chrysi Agvi, Goldene
Morgendämmerung, und der ungarischen Jobbik." Über Tiahnyboks frühere
Partei, die "Sozial-Nationale Partei der Ukraine" (SNPU), schreibt die
"Süddeutsche": "Die offizielle Bezeichnung der Partei-Ideologie
lautet Sozial-Nationalismus. ... Ungeniert bediente sich die Partei auch der
Symbolik des Dritten Reichs. ... Tjagnibok wurde 1998 als Direktkandidat in das
Parlament von Lwiw gewählt. Die Stadt gilt bis heute als
Neonazi-Hochburg." 2004 transformierte sich die SNPU in
"Swoboda" ("Freiheit"); auch diese hielt, wie es in der
"Süddeutschen" weiter heißt, unter Tiahnyboks Führung "enge
Kontakte zu anderen rechten Parteien, insbesondere zum französischen Front National".[2]
"Rechtsradikale übernehmen die Opposition"
Auch die Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD) warnt vor
Swoboda, die seit mehr als einem Jahr eng mit den beiden anderen ukrainischen
Oppositionsfraktion - "UDAR" (Witali Klitschko) und
"Vaterland" (Arsenij Jatsenjuk) - kooperiert. Sie bediene sich
"antisemitischer, fremdenfeindlicher und rassistischer Rhetorik",
schreibt die Stiftung.[3] Berichte weisen darauf hin, dass vor allem Swoboda
von der Radikalisierung der Proteste profitiert. "Rechtsradikale übernehmen
Klitschkos Opposition", hieß es schon im Januar; die Partei entwickle sich
zum "Auffangbecken für alle Desillusionierten, denen Klitschko nicht
radikal genug gegen Janukowitsch vorgeht. Die Gründe für diesen Zustrom sind im
Kern dieselben kampferprobten Mittel, die vor mehr als 80 Jahren den Siegeszug
der NSDAP in Deutschland vorbereiteten".[4] Tatsächlich handelt es sich um
eine Organisation, die nicht nur mit Klitschko, sondern auch mit der deutschen
NPD kooperiere. So hat eine Swoboda-Delegation Ende Mai die NPD-Fraktion im
sächsischen Landtag besucht. Man wolle die künftige Zusammenarbeit "auf
allen Ebenen intensivieren", hieß es anschließend. An der Zusammenkunft
war unter anderem der damalige NPD-Parteivorsitzende Holger Apfel beteiligt.
Ein Foto zeigt ihn mit einem Funktionär der Swoboda-Partei, deren Vorsitzender
sich am Mittwoch gemeinsam mit Steinmeier ablichten ließ.
Erste Parteiverbote
An dem Treffen der Swoboda-Delegation mit
NPD-Politikern nahm, wie die NPD berichtet, nicht nur der Abgeordnete Mychajlo
Holowko aus der Werchowna Rada in Kiew teil, sondern auch zwei Stadträte aus
der westukrainischen Großstadt Ternopil (250.000 Einwohner). In Ternopil hatte
Swoboda schon 2009 bei Regionalwahlen gut 35 Prozent der Stimmen erhalten. Der
Bürgermeister der Stadt, Sergej Nadal, wollte ursprünglich ebenfalls
teilnehmen, musste jedoch kurzfristig wegen anderweitiger Verpflichtungen
absagen. Nadal hatte kurz zuvor der NPD-Parteizeitung "Deutsche
Stimme" ein Interview gewährt, in dem er äußerte, die "Expansion
europäischer Interessen" dürfe "nicht an der ukrainisch-polnischen
Grenze haltmachen", sondern müsse "bis an die Grenze Russlands
weitergehen". In Ternopil wurde kürzlich - auch dank der Stärke der
NPD-Partnerpartei Swoboda - ein zentraler Platz in "Platz der Helden des
Euromajdan" umbenannt. Zudem sind erste Verbote für (in Ternopil)
oppositionelle Tätigkeiten ausgesprochen worden. So ist es in der Stadt nun
verboten, Symbole der "Partei der Regionen" oder der "Kommunistischen
Partei" zu zeigen oder für eine der beiden Parteien Aktivitäten zu
entfalten (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Die Kräfte, die
oppositionelle Parteien nicht dulden wollen, sind tragende Kräfte der
sogenannten demokratischen Opposition.
Legitimiert
Noch vor wenigen Tagen hat die
Friedrich-Ebert-Stiftung darauf aufmerksam gemacht, dass die enge Kooperation
nicht zuletzt von Witali Klitschko, einem Zögling der Konrad-Adenauer-Stiftung
(CDU), mit Swoboda deren Positionen neue Anerkennung verschafft. Klitschko habe
"Swoboda in den Augen der Öffentlichkeit vom Stigma befreit, sie
legitimiert", warnt die Stiftung; damit habe er den Eindruck erweckt,
"als sei sie als Partner mit anderen Parteien gleichwertig". Die
"Süddeutsche Zeitung" bestätigt: "In den vergangenen Wochen stand
[Swoboda-Führer, d. Red.] Oleg Tiagnibok in der Tat stets selbstverständlich
neben Klitschko und Arseni Jazenjuk von Julia Timoschenkos
Vaterlandspartei."[6] Am Mittwoch hat sich die Berliner Außenpolitik der
Legitimierung Tiahnyboks und Swobodas angeschlossen.
http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/58805 am 21.02.2014
Weitere Berichte und Hintergrundinformationen zur
aktuellen deutschen Ukraine-Politik finden Sie hier: Protestbündnis
für Europa, Probleme der Ostexpansion, Ein breites antirussisches Bündnis, Termin beim
Botschafter, Expansiver Ehrgeiz, Zukunftspläne für die Ukraine, Unser Mann in Kiew, Die militärische Seite der Integration, Integrationskonkurrenz
mit Moskau, In die Offensive, Die Expansion europäischer Interessen, Nützliche
Faschisten, Oligarchen-Schach, Der Mann der Deutschen und Koste es, was es wolle.
[1] S. dazu Vaterland und
Freiheit, Eine Revolution sozialer Nationalisten, Termin beim
Botschafter und Nützliche Faschisten.
[2], [3] Hannah Beitzer: Klitschkos rechte Hand. www.sueddeutsche.de 07.02.2014.
[4] Rechtsradikale übernehmen Klitschkos Opposition. www.n-tv.de 22.01.2014.
[5] S. dazu Die Expansion europäischer Interessen.
[6] Hannah Beitzer: Klitschkos rechte Hand. www.sueddeutsche.de 07.02.2014.