NATO
Der am 16.12.2013 vereinbarte Koalitionsvertrag ist
teilweise völkerrechts- und verfassungswidrig
1) Koalitionsvertrag Seite 168/169 (auszugsweise):
„Wir bekennen uns zur NATO und zu ihrem neuen
strategischen Konzept. Die trans-atlantische Allianz ist und bleibt das
zentrale Fundament unserer Sicherheits- und Verteidigungspolitik angesichts
neuer Risiken und Bedrohungen einer globalisierten Welt. Sie ist die
Organisation, in der die transatlantischen Partner ihre strategischen
sicherheitspolitischen Vorstellungen gleichberechtigt konsultieren und
koordinieren. Wir wirken im Bündnis aktiv mit und setzen uns auch auf diese
Weise dafür ein, dass die Bindungen zwischen Nordamerika und Europa tragfähig
bleiben und vertieft werden. Deutschland wird auch künftig seinen angemessenen
Teil der Lasten im Bündnis verlässlich leisten. Gemeinsam mit
unseren NATO-Partnern setzen wir konsequent die Beschlüsse von Chicago zur
strategischen Neuausrichtung der Allianz um.“ Das neue
strategische Konzept der NATO ist nicht völkerrechtskonform. Durch die
Beibehaltung der atomaren Bewaffnung als wesentlichen Grundpfeiler der
Verteidigung verstößt die NATO gegen die Verpflichtung zur vollständigen
atomaren Abrüstung:
Neues strategisches Konzept der NATO –
Lissabon 2010 -(auszugsweise):
17.
Die Abschreckung auf der
Grundlage einer geeigneten Mischung aus nuklearen und konventionellen
Fähigkeiten bleibt ein Kernelement unserer Gesamtstrategie. Umstände, unter
denen der Einsatz von Kernwaffen in Betracht gezogen werden müsste, sind höchst
unwahrscheinlich. Solange es Kernwaffen gibt, wird die NATO ein nukleares
Bündnis bleiben.
18.
Der oberste Garant für die
Sicherheit der Bündnispartner sind die strategischen nuklearen Kräfte des Bündnisses,
insbesondere die der Vereinigten Staaten; die unabhängigen strategischen nuklearen Kräfte
des Vereinigten Königreichs und Frankreichs, die eine eigenständige
Abschreckungsrolle wahrnehmen, tragen zur Gesamtabschreckung und
Sicherheit der Bündnispartner
bei.
19.
Wir werden gewährleisten, dass
die NATO über das gesamte Spektrum an Fähigkeiten verfügt, die für die
Abschreckung und Verteidigung gegen jede Bedrohung der Sicherheit unserer
Bevölkerungen notwendig sind. Wir werden daher
•
eine geeignete Mischung aus
nuklearen und konventionellen Kräften beibehalten;
die Fähigkeit wahren,
gleichzeitig große gemeinsame Operationen und mehrere kleinere Operationen für
die kollektive Verteidigung und Krisenreaktion durchzuhalten, auch in
strategischer Entfernung;
•...
die möglichst umfassende
Beteiligung der Bündnispartner an der kollektiven Verteidigungsplanung mit
Bezug auf deren nukleare Anteile, an der Stationierung von nuklearen Kräften in
Friedenszeiten und an Führungs-, Kontroll- und Konsultationsverfahren
gewährleisten;
•...
die Fähigkeit der NATO weiter
entwickeln, sich gegen die Bedrohung durch chemische, biologische,
radiologische und nukleare Massenvernichtungswaffen zu verteidigen;
•...
gewährleisten, dass das Bündnis
bei der Bewertung der Auswirkungen neuer Technologien auf die Sicherheit eine
Vorreiterrolle spielt und dass potenzielle Bedrohungen bei der militärischen
Planung berücksichtigt werden; die Verteidigungsausgaben auf dem erforderlichen
Niveau halten, damit unsere Streitkräfte ausreichend ausgestattet sind, das
gesamte Dispositiv der NATO zur Abschreckung und Verteidigung gegen die gesamte
Bandbreite der Bedrohungen des Bündnisses weiterhin überprüfen, wobei
Änderungen eines sich wandelnden internationalen Sicherheitsumfelds
Berücksichtigung finden.
Das Völkerrecht
verpflichtet mit Art. 6 des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen
vom 1.7.1968 Deutschland und alle anderen Mitgliedsstaaten der NATO, „in
redlicher Absicht Verhandlungen zu führen über wirksame Maßnahmen zur
Beendigung des nuklearen Wettrüstens in naher Zukunft und zur nuklearen
Abrüstung ... unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle.“
Diese Verpflichtung hat der
Internationale Gerichtshof in Den Haag in seinem Rechtsgutachten vom 8.7.1996
einstimmig bekräftigt:
„Es besteht eine völkerrechtliche
Verpflichtung, in redlicher Absicht Verhandlungen zu führen und zum Abschluss
zu bringen, die zu nuklearer Abrüstung (Entwaffnung) in allen ihren Aspekten
unter strikter und wirksamer internationaler Kontrolle führen.“
Das neue strategische
Konzept der NATO, Atomwaffen ohne Einschränkung als bleibendes Element der
Gesamtstrategie festzuschreiben, auf dem Besitz von Atomwaffen zu beharren, „so
lange es Kernwaffen gibt“ und diese sogar weiterzuentwickeln widerspricht
dieser Verpflichtung elementar. Der Koalitionsvertrag ist rechtswidrig, soweit
er das neue strategische Konzept der NATO bekräftigt und als zentrales
Fundament deutscher Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bezeichnet.
Hinzu
kommt, dass mit Zustimmung der Bundesregierung das neue strategische Konzept
der NATO an der sogenannten „Nuklearen Teilhabe“ Deutschlands festhält. Mit
ihrer Zustimmung verstößt die große Koalition gegen Art. 2 des Vertrages über
die Nichtverbreitung von Atomwaffen. Demnach ist Deutschland als
Nichtkernwaffenstaat verpflichtet, die Verfügungsgewalt über Kernwaffen von
niemanden unmittelbar oder mittelbar anzunehmen. Dasselbe gilt nach Art. 3 des
Zwei-plus-Vier-Vertrages vom 12.9.1990. Die „Nukleare Teilhabe“ sieht jedoch
vor, dass im Einsatzfall die von US-Militärs bewachten Atombomben unter
Tornados der Bundeswehr gehängt und von Bundeswehrpiloten zu den Zielorten
geflogen und abgeworfen werden. Damit hätten Hoheitsträger Deutschlands die
Verfügungsgewalt über diese Waffen. Die fortgesetzte Duldung dieses Zustandes
verstößt ebenfalls gegen Art. 20 Abs. 3, Art. 25 GG.
2) Koalitionsvertrag Seite
176 – auszugsweise -
„Neuausrichtung der Bundeswehr
Wir bekennen uns zu einer
starken Verteidigung mit modernen und leistungsfähigen Streitkräften. Die
Bundeswehr hat sich als Armee in der Demokratie und für die De-mokratie
bewährt. Das zentrale Leitbild der Inneren Führung und des Soldaten als
Staatsbürgers in Uniform prägt auch weiterhin den Dienst in der Bundeswehr und
den Einsatz der Bundeswehr für Frieden und Freiheit weltweit. Die Bundeswehr
ist eine Armee im Einsatz. Mit ihrer Neuausrichtung wird sie auf die
veränderten sicher-heitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
ausgerichtet. Wir werden diese Neuausrichtung konsequent fortsetzen und zum
Erfolg führen.“
Der weltweite Einsatz der
Bundeswehr als „Armee im Einsatz“ „für Frieden und Freiheit“ im Rahmen
veränderter sicherheitspolitischer Herausforderungen ist von der Verfassung
nicht gedeckt. Art. 87a GG schränkt ein:
„Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung
auf.“... „Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden,
soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“
Verteidigung heißt die
Abwehr bewaffneter militärischer Angriffe auf das Gebiet Deutschlands und/oder
der NATO-Verbündeten (vgl. Art. 5 Nordatlantikvertrag, Art. 5 WEU-Vertrag). Das
Grundgesetz lässt gemäß Art. 24 Absatz 3 GG nur von den Vereinten Nationen nach
Kapitel VII der UN-Charta angeordnete militärische Einsätze der Bundeswehr zu.
Im Koalitionsvertrag fehlt
die Eingrenzung auf diese Fälle.
3) Koalitionsvertrag Seite
177 – auszugsweise –
„Die Bundeswehr bleibt auch in Zukunft
Parlamentsarmee. Die parlamentarische Beteiligung an der Entscheidung über den
Einsatz der Bundeswehr hat sich bewährt. Sie ist eine Grundlage für die breite
Verankerung der Bundeswehr und ihrer Einsätze in der Gesellschaft. Der
Parlamentsvorbehalt ist keine Schwäche Deutschlands, sondern eine Stärke. Wir
wollen die Beteiligung des Parlaments an der Entscheidung über den Einsatz
deutscher Soldaten auch angesichts vermehrter Zusammenarbeit und Arbeitsteilung
mit unseren Partnern sicherstellen. Eine zunehmende Mitwirkung deutscher
Soldaten in integrierten Strukturen und Stäben auf NATO- und EU-Ebene muss mit
dem Parlamentsvorbehalt vereinbar sein. Deshalb wollen wir eine Kommission
einsetzen, die binnen Jahresfrist prüft, wie auf dem Weg fortschreitender
Bündnisintegration und trotz Auffächerung von Aufgaben die Parlamentsrechte
gesichert werden können. Die Kommission wird darauf aufbauend Handlungsoptionen
formulieren.“
Das
Bundesverfassungsgericht hat in dem Urteil vom 30.6.2009 - 2 BvE 2/08 pp. -
bekräftigt, dass der konstitutive Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der
Bundeswehr auch dann besteht, wenn diese in Wahrnehmung von
Bündnisverpflichtungen durchgeführt werden:
„(1) Der
wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt des Grundgesetzes greift ein,
wenn nach dem jeweiligen Einsatzzusammenhang und den einzelnen rechtlichen und
tatsächlichen Umständen die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete
Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist. Die auf die Streitkräfte
bezogenen Regelungen des Grundgesetzes sind darauf angelegt, die Bundeswehr
nicht als Machtpotential allein der Exekutive zu überlassen, sondern sie als
„Parlamentsheer“ in die demokratisch rechtsstaatliche Verfassungsordnung
einzufügen (vgl. BVerfGE 90, 286 <381 f.>; 121, 135
<153 ff.>).
Der
wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt begründet ein wirksames Mitentscheidungsrecht
des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der auswärtigen Gewalt. Ohne
parlamentarische Zustimmung ist ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte unter dem
Grundgesetz grundsätzlich nicht zulässig; nur ausnahmsweise ist die
Bundesregierung - bei Gefahr im Verzug - berechtigt, vorläufig den
Einsatz bewaffneter Streitkräfte zu beschließen, damit die Wehr- und
Bündnisfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland durch den Parlamentsvorbehalt
nicht in Frage gestellt werden (vgl. BVerfGE 90, 286 <388 f.>).“
Die Formulierung im Koalitionsvertrag bedeutet, dass der (einigen
Verbündeten lästige) konstitutive Parlamentsvorbehalt des Deutschen Bundestages
wegen der „Auffächerung der Aufgaben“ im Rahmen der „fortschreitenden
Bündnisintegration“ aufgeweicht oder eingeschränkt werden soll. Das
widerspricht dem verfassungsrechtlichen Gebot des wirksamen Mitwirkungsrechts
des Deutschen Bundestages.
Die im Koalitionsvertrag gewünschten „Handlungsoptionen“ sind bereits im
Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18.3.2005 (BGBl. I S.775) geregelt. Eingeführt
worden ist darin ein vereinfachtes Zustimmungsverfahren für Bundeswehreinsätze
minderer Bedeutung. Außerdem ist in dem Gesetz die Möglichkeit nachträglicher
Zustimmung des Bundestages bei Einsätzen vorgesehen, die wegen Gefahr im Verzug
unverzüglich eingeleitet werden müssen. Eine weitere Einschränkung würde die
Substanz des Mitwirkungsrechts des Deutschen Bundestages angreifen.
4) Das Völkerrecht und das
Grundgesetz zu beachten und einzuhalten ist die Bundesregierung nach Art. 20
Absatz 3, Art. 25 GG verpflichtet. Es zu wahren und zu verteidigen geloben die
Bundeskanzlerin und jede/r BundesministerIn mit ihren Amtseiden nach Art. 56,
64 Absatz 2 GG.
Bernd Hahnfeld